Vorsorgeauftrag in der Schweiz
Es kann jeden treffen und das zu jeder Zeit: Sie werden in einen Unfall verwickelt oder erleiden eine unerwartete Erkrankung und sind nicht mehr urteilsfähig. Mit einem Vorsorgeauftrag werden Sie im Falle einer eintretenden Urteilsunfähigkeit von einer Vertrauensperson vertreten. Dies ist wichtig für Ihr persönliches Wohlergehen und Ihre Absicherung – und das nicht nur, wenn Sie sich bereits im höheren Alter befinden.
Was versteht man unter einem Vorsorgeauftrag?
Ein Vorsorgeauftrag ist eine Verfügung, die in Kraft tritt, wenn eine Person ihre Urteilsfähigkeit verliert. Das kann beispielsweise aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls geschehen. Für diesen Fall können Sie vorsorgen und mit einem Vorsorgeauftrag bestimmen, wer sich um Ihre wichtigen Angelegenheiten kümmern soll. Die beauftragte Person kann Aufgaben der Personensorge übernehmen, sich um Ihr Vermögen oder Ihre Rechtsfragen kümmern. Sie trifft Entscheidungen in Ihrem Namen und spiegelt dabei Ihre Wünsche wider, die Sie im Vorsorgeauftrag festgelegt haben.
Für wen ist ein Vorsorgeauftrag sinnvoll?
Besonders für ältere Menschen lohnt es sich, einen Vorsorgeauftrag zu verfassen. Es kann mitunter möglich sein, dass diese aufgrund ihres fortgeschrittenen Lebensalters geistig oder körperlich nicht mehr vollkommen fit sind und ihre Urteilsfähigkeit verlieren. In diesem Fall sollten Verwandte oder andere Vertrauenspersonen als Beistände eingesetzt werden, die wichtige Aufgaben im Alltag der Person übernehmen können.
Doch auch für junge Menschen kann die Erstellung eines Vorsorgeauftrags sinnvoll sein. Denn nach einem Unfall oder einer plötzlichen Krankheit können selbst zuvor gesunde Menschen ihre Urteilsfähigkeit für einen bestimmten Zeitraum oder dauerhaft verlieren. Wurde kein Vorsorgeauftrag verfasst, so entscheidet in der Regel die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) über das weitere Vorgehen. Dann kann es auch möglich sein, dass eine fremde Person die Beistandschaft übernimmt und die urteilsunfähige Person vertritt.
Exkurs: Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde
Bei der KESB handelt es sich um eine gerichtliche oder Verwaltungsbehörde. Sie ist kantonal geregelt, weshalb sich die Vorgehensweisen je nach Wohnort leicht unterscheiden können. Allgemein kümmert sich diese Behörde um die Rechte und den Schutz von Personen, die dies selbst nicht tun können. Dabei kann es sich einerseits um minderjährige Personen oder auch um Menschen mit einer physischen oder geistigen Beeinträchtigung handeln. Wird eine Person urteilsunfähig, so kümmert sich die Behörde darum, die Wünsche dieser Person so gut wie möglich umzusetzen. In jedem Fall darf die KESB nur im Einklang mit dem Gesetz einschreiten. Gibt es für eine Angelegenheit keine rechtlichen Grundlagen, so darf die Behörde nicht involviert werden.
Wie kann man einen Vorsorgeauftrag erteilen?
Die rechtlichen Grundlagen rund um den Vorsorgeauftrag sind im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB) unter dem Punkt Erwachsenenschutz ab Artikel 360 ZGB festgelegt. Laut Gesetz kann jede handlungsfähige Person einen Auftrag dieser Art erteilen. Er tritt dann in Kraft, wenn die Antragstellerin urteilsunfähig wird.
Für seine Gültigkeit muss ein Vorsorgeauftrag entweder eigenhändig niedergeschrieben oder öffentlich beurkundet sein. Für den ersteren Fall bedeutet dies, dass das Dokument von Hand geschrieben sein und mit Datum und Unterschrift versehen werden muss.
Das Dokument kann vom Antragsteller zu Hause an einem sicheren Ort aufbewahrt werden. Denken Sie allerdings daran, dass es im Zweifelsfall auch leicht auffindbar sein muss. Es kann deshalb empfehlenswert sein, den Vorsorgeauftrag entweder mit anderen wichtigen Dokumenten aufzubewahren oder Verwandte über die Existenz des Dokuments in Kenntnis zu setzen. Alternativ können Sie Ihren Vorsorgeauftrag bei Ihrem Zivilstandsamt gegen eine Gebühr sicher verwahren lassen. Diese liegt in der Regel bei unter 100 CHF.
Inhalte eines Vorsorgeauftrags
In einem Vorsorgeauftrag legen Sie als Verfasserin fest, wer sich um welche Aufgaben kümmern soll, wenn Sie dies aus gewissen Gründen nicht mehr selbst tun können. Sie schaffen so klare Verhältnisse für den Fall, dass Sie urteilsunfähig werden. Damit können Sie sicherstellen, dass bestimmte Angelegenheiten nicht gegen Ihren Willen gehandhabt werden, sondern nach Ihren Wünschen und Vorstellungen. Die folgenden Dinge sollten aus einem Vorsorgeauftrag hervorgehen:
- Wer ist die beauftragte Person: Sie können eine oder mehrere Personen einsetzen, um Sie bei Urteilsunfähigkeit zu vertreten.
- Welche Aufgaben übernimmt die Beiständin: Die Aufgaben können sich in den Bereichen Personen- oder Vermögenssorge oder Rechtsfragen bewegen. Die übernommenen Tätigkeiten und wie diese ausgeführt werden sollen, sollten im Vorsorgeauftrag so genau wie möglich beschrieben werden.
- Ersatzverfügungen: Falls die beauftragte Person die Aufgabe nicht annehmen möchte oder später kündigt, so können Antragsteller Ersatzpersonen ernennen.
Was geschieht, wenn die beauftragte Person vom Auftrag abweichen möchte oder etwas nicht thematisiert ist?
Grundsätzlich muss die beauftragte Person den Vorsorgeauftrag und die daraus hervorgehenden Aufgaben genau so ausführen, wie es schriftlich festgehalten wurde. Sind Aufgaben darin nicht thematisiert, die allerdings nötig werden, so sollte die Person dies mit der zuständigen KESB absprechen. Auch wenn die beauftragte Person denkt, dass eine bestimmte Angelegenheit nicht im Sinne der urteilsunfähigen Person wäre, kann sie sich an die KESB wenden (Artikel 365, Absatz 2 ZGB).
Wer kann einen Vorsorgeauftrag übernehmen?
Grundsätzlich kann jede natürliche oder juristische Person dazu beauftragt werden, wenn sie von der Antragstellerin ernannt wird. Die KESB prüft, ob die Person für die Aufgaben geeignet und in der Lage ist, diese zufriedenstellend auszuführen. Zudem muss sichergestellt werden, dass die Person den Auftrag auch annehmen möchte – es steht jedem frei, einen Vorsorgeauftrag abzulehnen. Es ist auch möglich, dass Sie in Ihrem Vorsorgeauftrag mehrere Personen beauftragen. Diese übernehmen dann verschiedene Aufgabenbereiche: So kann sich zum Beispiel Ihr Partner um die Verwaltung Ihres Vermögens kümmern, während Ihre Tochter die rechtlichen Angelegenheiten regeln soll. Dazu können auch Fachpersonen berufen werden, beispielsweise Anwälte für Erbrecht.
In den meisten Fällen handelt es sich bei den beauftragten Personen um Vertrauenspersonen. Oft werden Verwandte oder langjährige Freunde mit diesen Aufgaben betraut. Idealerweise herrscht ein tiefes Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen und den beauftragten Personen. Schliesslich sollten Sie sich darauf verlassen können, dass diese in Ihrem besten Willen handeln und Ihr Wohlergehen im Sinn haben.
Muss ein Vorsorgeauftrag akzeptiert werden?
Werden Sie in einem Vorsorgeauftrag als Beistand ernannt, so steht es Ihnen frei, dies abzulehnen. In diesem Fall tritt entweder eine Ersatzverfügung in Kraft oder die KESB kümmert sich um eine entsprechende Vertretung. Zudem kann die beauftragte Person den Auftrag auch nach Annahme jederzeit kündigen. Dies muss mit einer Kündigungsfrist von zwei Monaten und schriftlich an die KESB erfolgen. In dringenden Fällen ist auch eine fristlose Kündigung möglich (Artikel 367 ZGB).
Entschädigung der beauftragten Person
Je nach Situation kann der beauftragten Person eine Entschädigung zustehen. Ist zu dem Thema nichts im Vorsorgeauftrag festgelegt worden, so entscheidet die KESB darüber. Ob und wie eine Person entlohnt wird, hängt meist mit der Art der übertragenen Aufgaben zusammen. Handelt es sich dabei um Tätigkeiten, die normalerweise gegen einen Lohn ausgeführt werden, so werden der beauftragten Person in der Regel Spesen zugesprochen. Diese werden vom Antragsteller übernommen (Artikel 366 ZGB).
Kann ein Vorsorgeauftrag widerrufen werden?
Wenn Sie Ihre Meinung geändert haben, können Sie einen von Ihnen verfassten Vorsorgeauftrag zu jeder Zeit verändern oder vollkommen widerrufen. Dies muss in einer der Formen geschehen, die auch für die Erteilung zulässig ist – also entweder eigenhändig oder öffentlich beurkundet. Dazu können Sie beispielsweise das vorhandene Dokument mit dem Vermerk «Widerrufen» versehen. Alternativ ist auch die Vernichtung der Urkunde durch den Antragsteller legitim und widerruft den Vorsorgeauftrag automatisch (Artikel 362 ZGB).
Wird ein zweiter Auftrag verfasst, so dient dieser entweder als Ergänzung oder tritt an die Stelle des ersten Auftrags. Versuchen Sie in jedem Fall, möglichst klare Verhältnisse zu schaffen. Setzen Sie dazu am besten auch das zuständige Zivilstandsamt und die beteiligten Personen in Kenntnis.
Was passiert, wenn die Antragstellerin wieder urteilsfähig wird?
Ist eine Person nach einer Urteilsunfähigkeit und dem Eintreten eines Vorsorgeauftrags wieder urteilsfähig, so tritt der Auftrag automatisch ausser Kraft. Das ist etwa der Fall, wenn eine Person nach einer Erkrankung wieder gesund wird oder beispielsweise aus dem Koma erwacht. Grundsätzlich entscheidet die KESB darüber, ob die Urteilsfähigkeit gegeben ist oder nicht.
Urteilsunfähig ohne Vorsorgeauftrag – wer kümmert sich?
Allgemein ist die KESB dafür zuständig, sich um das Wohlergehen von Personen zu kümmern, die dies selbst nicht mehr tun können. Ist ein Vorsorgeauftrag vorhanden, so sind die Entscheidungen meist klar und der Prozess ist einfach. Die Behörde prüft dann nur, ob das Dokument die formellen Voraussetzungen erfüllt und ob die beauftragten Personen dazu geeignet und gewillt sind, die übertragenen Aufgaben zu übernehmen.
Ist kein Vorsorgeauftrag vorhanden, so fällt die Vertretung nach Artikel 374 ZGB dem Ehegatten oder einer eingetragenen Partnerin zu. Diese Vertretung hat allerdings ihre Grenzen: Die Person darf die Post der urteilsunfähigen Person öffnen und über ihre Finanzen verfügen – aber nur, um eine Unterhaltsdeckung zu erreichen. Angelegenheiten, die darüber hinausgehen, müssen mit der KESB abgesprochen werden. Gibt es keine Ehegattin und keinen Partner, der dafür infrage kommt, kann die KESB auch Verwandte einsetzen. Voraussetzung ist, dass diese der urteilsunfähigen Person nahestehen und die Aufgaben mit Sorgfalt erfüllen können. Gibt es keine nahen Verwandten, die für die Aufgaben infrage kommen, kann die Behörde einen externen Beistand einsetzen.
Am Ende ist die KESB auf das Wohl der urteilsunfähigen Person bedacht. Dies steht immer im Mittelpunkt und die Wünsche der Person sollten so gut wie möglich erfüllt werden. Indem Sie einen Vorsorgeauftrag verfassen, erleichtern Sie die Arbeit der Behörde und informieren klar über Ihre Wünsche. So können Sie bestmöglich vertreten werden, wenn Ihnen dies selbst nicht mehr möglich ist.
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FAQ: Vorsorgeauftrag
Der Vorsorgeauftrag tritt dann in Kraft, wenn eine Person ihre Urteilsfähigkeit verliert. Das kann beispielsweise infolge einer Krankheit oder eines Unfalls sein. Oft werden Vorsorgeaufträge von Senioren genutzt, die aufgrund ihres hohen Alters oder Erkrankungen (z. B. Demenz) bestimmte Aufgaben nicht mehr übernehmen können.
Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde kümmert sich darum, dass urteilsunfähige Personen richtig vertreten und versorgt werden. Sie prüft die Eignung der in einem Vorsorgeauftrag ernannten Personen und steht diesen bei Fragen oder Unklarheiten bei. Im Vordergrund steht das Wohlergehen der urteilsunfähigen Person.
Die im Rahmen eines Vorsorgeauftrags beauftragten Personen können Aufgaben aus verschiedenen Tätigkeitsfeldern übernehmen. So kann sich der Auftrag um die Personensorge drehen, um die Verwaltung des Vermögens oder um das Abwickeln rechtlicher Angelegenheiten.
Ja, der Antragsteller kann zum Beispiel verschiedene Personen für unterschiedliche Aufgabengebiete einsetzen. So kann sich beispielsweise ein Ehegatte um das Vermögen kümmern, während eine Tochter aufkommende Rechtsfragen abwickelt. Für den Fall, dass die beauftragten Personen den Auftrag ablehnen, kann die Antragstellerin Ersatzpersonen ernennen.
Nein, als beauftragte Person steht es Ihnen frei, dies anzunehmen oder abzulehnen. Auch die Kündigung nach dem Beginn des Auftrags ist möglich – entweder ordentlich mit einer Frist von zwei Monaten oder in dringenden Fällen als fristlose Kündigung.
In der Regel übernimmt in diesem Fall der Ehegatte oder eine eingetragene Lebenspartnerin die wichtigsten Aufgaben. Im Zweifelsfall kann die KESB eine verwandte Person ernennen. Wenn es keine Verwandten oder anderen Vertrauenspersonen gibt, können externe Beistände eingesetzt werden.