Lohnfortzahlung bei Krankheit in der Schweiz

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Kalender Icon 05. März 2022

Wenn ein Arbeitnehmer erkrankt, ist der Arbeitgeber gemäss den Bestimmungen des Schweizer Obligationenrechts zur Lohnfortzahlung verpflichtet. Es gibt jedoch bestimmte Bedingungen und Ausnahmen, die berücksichtigt werden müssen. In diesem Artikel erfahren Sie, wie die Lohnfortzahlung bei Krankheit in der Schweiz funktioniert und welche Bestimmungen im Falle einer Entlassung gelten.

Auf einen Blick

  • Ein Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer während dessen Abwesenheit aufgrund von Krankheit nicht entlassen, wenn der Arbeitnehmer die dreimonatige Karenzfrist absolviert hat. 
  • Das Schweizer Obligationenrecht verpflichtet Arbeitgeber zur Lohnzahlung an krankheitsbedingt arbeitsunfähige Arbeitnehmer.

Lohnfortzahlung bei Krankheit - Rechtslage

Erkrankt ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin oder hat einen Unfall, kann er oder sie dank der im Schweizerischen Obligationenrecht (OR) vorgesehenen Lohnfortzahlung bei Krankheit für eine bestimmte Zeit weiterhin regulär Löhne beziehen. Dies ist in Artikel 324a OR festgelegt. Auch Schwangerschaften gelten als Grund für eine Lohnfortzahlung während der Absenz der Arbeitnehmerin. Der Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gilt für jedes Jahr der Tätigkeit und verlängert sich automatisch.

Es gibt jedoch zwei Ausnahmen: wenn sich der Arbeitnehmer in seiner dreimonatigen Probezeit, der sogenannten Karenzfrist, befindet und wenn es sich um einen kurzfristigen Zeitarbeitsvertrag von weniger als drei Monaten handelt. In diesem Fall ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, das Gehalt während der krankheitsbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers zu fortzuzahlen.

Wie lange dauert die Lohnfortzahlung?

Für die Berechnung der Dauer der Lohnfortzahlung gibt es Staffeln, die sich nach den Dienstjahren des Arbeitnehmers im Betrieb richten. Sieht der Arbeitsvertrag keine Krankentaggeldversicherung vor, ist der Arbeitgeber verpflichtet, den vollen Lohn für den Zeitraum der Absenz zu zahlen. In einem solchen Fall sieht das OR vor, dass  Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im ersten Dienstjahr Anspruch auf eine dreiwöchige Lohnfortzahlung haben, die je nach Betriebszugehörigkeit um einen "angemessenen längeren Zeitraum" verlängert werden kann.

Der Arbeitsvertrag kann auch eine Krankentaggeldversicherung zugunsten beider Parteien vorsehen, was in der Praxis sehr häufig der Fall ist. Bei den meisten Krankentaggeldversicherungen haben Sie Anspruch auf eine Zahlung von mindestens 80 % Ihres Lohns über einen Zeitraum von 720 oder 730 Tagen und bis zu 900 Tagen. Auch die Prämien müssen zu mindestens 50 % vom Arbeitgeber getragen werden.

Was sind die Bedingungen für die Lohnfortzahlung?

Nach Artikel 324a OR ist eine Lohnfortzahlung während der Krankheit von Mitarbeitenden nur möglich, wenn  diese ihre Abwesenheit nicht selbst zu verschulden haben. So gelten beispielsweise Krankheit und Unfälle als rechtmässige Gründe, ausserdem auch die Abwesenheit zur „Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung oder einer öffentlichen Aufgabe“. Darüber hinaus muss die Karenzfrist von drei Monaten Anstellung beim jeweiligen Betrieb überschritten sein.

In all diesen Fällen ist der Arbeitgeber verpflichtet, "für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten, samt einer angemessenen Vergütung für ausfallenden Naturallohn". 

Wurden ein Standardarbeitsvertrag oder Tarifverträge abgeschlossen, so können diese für die Fortzahlung des Krankengeldes gelten, sofern sie mindestens gleichwertig sind (Artikel 324a Absatz 4 OR). So kann zum Beispiel eine Betriebsvereinbarung eine längere Lohnfortzahlung vorsehen, als dies im Schweizer Recht vorgesehen wäre.

Tipp: Gemäss Artikel 329h OR ist es auch möglich, zur Betreuung eines erkrankten Familienmitglieds bis zu zehn Tage pro Jahr bezahlten Urlaub zu nehmen (bis zu drei Tage pro Krankheitsereignis). Handelt es sich dabei um ein Kind, das durch eine Krankheit oder einen Unfall schwer beeinträchtigt wurde, verlängert sich die Dauer des Betreuungsurlaubs auf bis zu 14 Wochen. 

Wann fällt die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall weg? 

Die Lohnfortzahlung wird daher nur gewährt, wenn der Grund für die Abwesenheit in der Person des Arbeitnehmers liegt und von diesem unverschuldet ist. Die Zulage entfällt jedoch, wenn der Arbeitnehmer aus äusseren Gründen wie beispielsweise Wetterkatastrophen, Epidemien, Stromausfällen usw. an der Arbeit gehindert ist (Artikel 324 OR). Eine Schwangerschaft zählt hier nicht als selbst verschuldeter Grund, sodass werdende Mütter ebenfalls einen Anspruch auf die Lohnfortzahlung haben. 

Muss ich meine krankheitsbedingte Abwesenheit begründen? 

Wenn eine Arbeitnehmerin wegen Krankheit abwesend ist, ist sie verpflichtet, ihren Arbeitgeber darüber zu informieren. In der Regel ist sie jedoch nicht verpflichtet, ihre Abwesenheit durch ein ärztliches Attest zu begründen, um die Lohnfortzahlung zu erhalten. 

In der Rechtspraxis wird automatisch davon ausgegangen, dass Arbeitnehmer glaubwürdig sind. Der Arbeitgeber ist jedoch berechtigt, per Vertrag ab dem ersten Tag der Abwesenheit ein ärztliches Attest zu verlangen, in den meisten Verträgen gilt diese Bedingung ab dem dritten oder vierten Tag der Abwesenheit im Krankheitsfall. Dauert die Krankheit länger an, so müssen die betroffenen Arbeitnehmer in der Regel in periodischen Abständen weitere Krankheitsatteste einreichen.

Erkrankt ein Arbeitnehmer während seines Urlaubs, hat er ebenfalls Anspruch auf die Lohnfortzahlung während seiner Krankheit. Zu diesem Zweck muss er seinem Arbeitgeber ein ärztliches Attest vorlegen. Die bezahlten Urlaubstage werden dann in Krankheitstage umgewandelt. 

Kann ich gekündigt werden, während ich krankgeschrieben bin?

Das Schweizer Recht schützt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die wegen Krankheit abwesend sind, vor einer Kündigung während ihrer Absenz. Dies ist die sogenannte Sperrfrist. Sie beträgt je nach Jahren der Betriebszugehörigkeit zwischen 30 und 180 Tagen: Im ersten Dienstjahr sind es 30 Tage, ab dem zweiten Jahr 90 Tage und ab dem sechsten Jahr 180 Tage. Bei einer schwangerschaftsbedingten Abwesenheit beträgt dieser Zeitraum ebenfalls 180 Tage und bis zu 16 Wochen nach der Geburt. 

Ein Beispiel: Ein Arbeitnehmer erkrankt am 6. September im ersten Jahr seiner Beschäftigung schwer. Die Gehaltsfortzahlung läuft dann bis zum 26. September. Wenn der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag dieses Arbeitnehmers kündigen möchte, kann er dies erst nach Ablauf der 30-tägigen Sperrfrist, d. h. am 6. Oktober, tun. Einschliesslich der obligatorischen einmonatigen Kündigungsfrist würde dies zu einem offiziellen Ende der Anstellung ab Ende Oktober führen. Der Arbeitnehmer würde in diesem Fall zwar bis zum 31. Oktober angestellt sein, jedoch bereits ab dem 26. September keinen Lohn mehr erhalten.

Sonderfall: Würde in der Zeit der krankheitsbedingten Absenz dieses Arbeitnehmers jedoch sein zweites Dienstjahr beginnen, so würde dieser ab Beginn des zweiten Jahres und bis zum Ende seiner Anstellung wieder seinen Lohn fortgezahlt bekommen. 

Während der gesamten Sperrzeit darf sich der Arbeitgeber also nicht von seinem Arbeitnehmer trennen und jede frühere Kündigung des Arbeitsvertrags wäre unwirksam. Ein Arbeitnehmer, der während eines Krankheitsurlaubs entlassen wird, kann seinen Arbeitgeber wegen ungerechtfertigter Entlassung verklagen. 

Was ist die Invalidenrente?

Ist ein Arbeitnehmer länger als 30 Tage arbeitsunfähig und potenziell langzeitinvalide, kann er sich an die IV-Stelle seines Wohnkantons wenden. Die IV-Stelle prüft, ob ein Invaliditätsrisiko besteht und ob im Vorfeld Massnahmen zur Vermeidung dieser Situation getroffen werden können. Dies kann z. B. die Anpassung des Arbeitsplatzes oder die Umschulung des Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz bedeuten.

Um eine Invalidenrente zu erhalten, muss sich ein krankgeschriebener Arbeitnehmer spätestens sechs Monate nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bei der IV-Stelle melden. Die Invaliditätsrente wird jedoch erst ein Jahr nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit gezahlt, wenn der Arbeitnehmer zu mindestens 40 % arbeitsunfähig ist und diese Arbeitsunfähigkeit irreversibel ist. Die Höhe der Rente richtet sich ausserdem nach der Anzahl der Jahre, in denen der betroffene Arbeitnehmer in die Invalidenversicherung eingezahlt hat.

Welche Entschädigung gibt es im Falle einer Schwangerschaft?

Im Falle einer Schwangerschaft haben Arbeitnehmerinnen keinen Anspruch auf Krankheitsurlaub, sondern auf eine spezielle Art des Urlaubs, nämlich auf den Mutterschutz sowie den Mutterschaftsurlaub. 

In der Schweiz haben Arbeitnehmerinnen, egal ob sie Vollzeit oder Teilzeit arbeiten, Anspruch auf 98 Tage (14 Wochen) Mutterschaftsurlaub nach der Geburt (Artikel 329f OR). Jeder Frau steht es frei, ab acht Wochen nach der Geburt aus dem Mutterschutz an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Um Anspruch auf eine Lohnfortzahlung während ihres Mutterschaftsurlaubs zu haben, muss die Arbeitnehmerin jedoch in den neun Monaten vor der Geburt bei der AHV versichert und in diesem Zeitraum mindestens fünf Monate lang beschäftigt gewesen sein.

Tipp: Auch Väter können bis zu zwei Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub beantragen, solange diese im Zeitraum von bis zu sechs Monaten nach der Geburt des Kindes liegen (Artikel 329g OR).

Ausserdem kann die Schwangere eine Fortzahlung des Lohns verlangen, wenn sie aufgrund von Schwangerschaftsbeschwerden arbeitsunfähig ist. Hierfür bedarf es in der Regel eines ärztlichen Attests. Befindet sich eine Frau zum Zeitpunkt der Geburt ihres Kindes im Krankenstand, kann sie zusätzlich zu ihrer Lohnfortzahlung aufgrund der Krankheit auch noch Mutterschaftsgeld beantragen. Der Arbeitgeber darf seiner Arbeitnehmerin während der gesamten Schwangerschaft und bis zu 16 Wochen nach der Geburt nicht kündigen. Bei Problemen können sich wie immer an einen Anwalt für Arbeitsrecht wenden.

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Dominic Rogger

Rechtsanwalt, lic. iur. LL.M. 

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FAQ: Lohnfortzahlung bei Krankheit

Ein Arbeitgeber darf den Arbeitsvertrag seines Arbeitnehmers während dessen Abwesenheit aufgrund einer Krankheit und bis zu 30 Tage danach nicht kündigen. Diese Frist beträgt 90 Tage ab dem zweiten Dienstjahr, 180 Tage ab sechs Dienstjahren oder während einer Schwangerschaft. Andererseits ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, den Gehalt eines erkrankenten Arbeitnehmers während dessen Karenzfrist (in der Regel die ersten drei Monate der Anstellung) beizubehalten.

Ein Arbeitnehmer, der während seines bezahlten Urlaubs erkrankt, kann sich bei seinem Arbeitgeber melden und sich krankschreiben lassen. Auf diese Weise hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, die bezahlten Urlaubstage während der Krankheitszeit nicht zu verlieren. Er muss jedoch ein ärztliches Attest vorlegen, um seine Situation zu rechtfertigen.

Ja. Arbeitgeber sind verpflichtet, Mitarbeitenden, die sich im Krankenstand befinden, gemäss dem Schweizer Obligationenrecht den vollen Lohn zu zahlen. Die Lohnfortzahlung ist jedoch zeitlich begrenzt und setzt eine Betriebszugehörigkeit von mindestens drei Monaten voraus.

Die Dauer der Lohnfortzahlung beträgt im ersten Dienstjahr mindestens drei Wochen. Möglicherweise zahlt der Arbeitgeber den Lohn des krankgeschriebenen Arbeitnehmers auch nach Ablauf dieser drei Wochen "fair" weiter, je nach Betriebszugehörigkeit und den individuellen Umständen. In Arbeitsverträgen können jedoch auch grundsätzlich längere Lohnfortzahlungen vorgesehen werden.

Viele Arbeitgeber entscheiden sich für den Abschluss einer Krankentaggeldversicherung für ihre Mitarbeiter. Diese Versicherungen sichern in der Regel 80 % des Gehalts des Arbeitnehmers, auch im Falle einer langfristigen Abwesenheit. Die Dauer der Lohnfortzahlung mit einer vertraglichen Krankentaggeldversicherung beträgt zwischen 720 und 900 Tagen.

Arbeitnehmer, die sich in einer Situation der Langzeitinvalidität befinden, können sich an die IV-Stelle ihres Kantons wenden, um eine Rente zu beantragen. Um diese Leistung zu erhalten, muss die Behinderung dauerhaft sein und zu einer Arbeitsunfähigkeit von mindestens 40 % betragen. Der Arbeitnehmer hat sechs Monate ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit Zeit, einen Antrag zu stellen.

Eine schwangere Arbeitnehmerin kann anstelle eines Krankheitsurlaubs einen den Mutterschutz in Anspruch nehmen, der die Fortzahlung ihres Gehalts gewährleistet. Der Arbeitgeber ist ausserdem verpflichtet, den Lohn der Arbeitnehmerin fortzuzahlen, wenn sie während und aufgrund der Schwangerschaft arbeitsunfähig ist und dies durch ein ärztliches Attest bescheinigen kann.

Gesetzesartikel

Grundsatz der Lohnfortzahlung bei Krankheit (Artikel 324a OR)

Mutter- und Vaterschaftsurlaub (Artikel 329f und Artikel 329g OR)

Bezahlter Urlaub zur Betreuung kranker Angehöriger (Artikel 329h OR)

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