Erbrecht in der Schweiz:
Wer erbt wie viel vom Vermögen?
Wenn ein Verstorbener beziehungsweise eine Verstorbene zu Lebzeiten kein Testament aufgesetzt und unterzeichnet hat, bestimmt in der Schweiz das sogenannte gesetzliche Erbrecht über die jeweilige Erbfolge und die Aufteilung des hinterlassenen Hab und Gut innerhalb einer Familie. In diesem informativen Artikel erklären wir Ihnen die wichtigsten Punkte zu diesem Thema einfach und verständlich.
Was regelt das gesetzliche Schweizer Erbrecht?
Das gesetzliche Schweizer Erbrecht ist ein Teil des Schweizer Privatrechts. Verankert ist es im dritten Teil des Zivilgesetzbuches der Schweiz (ZGB), wo es im Detail ab Artikel 457 eingesehen werden kann. Das Gesetz regelt:
- die Rechte und Pflichten der Erbgemeinschaft
- die gesetzliche Erbfolge innerhalb einer Familie
Das gesetzliche Erbrecht: wann es zum Einsatz kommt
Das gesetzliche Schweizer Erbrecht greift in einigen unterschiedlichen Situationen. Dazu zählen mitunter die Folgenden:
- Es liegt kein Testament seitens des Erblassers vor
- Ein Testament besteht, wird aber für gesetzlich ungültig erklärt (beispielsweise aufgrund formeller Fehler)
- Erben oder Erbinnen verzichten aus eigenem Willen heraus auf die Annahme des Erbes
- Erben oder Erbinnen können das Erbe aus bestimmten Gründen nicht antreten (zum Beispiel Krankheit oder wenn diese bereits selbst verstorben sind)
Der häufigste Fall ist sicherlich der erstgenannte. In diesen Fällen bestimmt das Erbschaftsrecht, wie es mit der Aufteilung des Erbes weitergeht. Dafür werden die Verwandten und Nachkommen der verstorbenen Person vom Gesetz nach Verwandtschaftsgraden in verschiedene Gruppen unterteilt.
Wie lautet die gesetzliche Erbfolge laut dem Schweizer Erbrecht?
Das Schweizer Gesetzbuch definiert nach dem sogenannten Parentelsystem drei unterschiedliche Gruppen gesetzlicher Erben (Art. 457 bis 459 und 462 ZGB). Diese sind:
- 1. Parentel = Die eigenen Nachkommen bzw. Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner
- 2. Parentel = Eltern und deren weitere Nachkommen
- 3. Parentel = Grosseltern und deren weitere Nachkommen
Die Stellung des Ehepartners innerhalb der Erbfolge
Gesetzlich festgelegt stehen bei verheirateten Paaren die Ehegatten durch ein Sonderrecht an oberster Stelle der Erbfolge (vgl. Artikel 462 ZGB). Man spricht hier juristisch gesehen auch vom Ehegatten-Erbrecht. Dieselbe Stellung haben in der Schweiz gesetzlich eingetragene Lebenspartner beziehungsweise Lebenspartnerinnen. Gegebenenfalls teilen diese sich mit den Nachkommen der verstorbenen Person jeweils die Hälfte der Erbschaft.
Gibt es zum Todeszeitpunkt keinen erbberechtigten Ehepartner oder eine eingetragene Lebenspartnerin, so sind nachfolgend die Kinder des Verstorbenen an der Reihe, das Erbe anzutreten. Als drittes erbberechtigtes Klientel stehen die Enkel und Enkelinnen des Erblassers. Leben diese nicht mehr, wären die Urenkel die nächsten Erbinnen.
Erbfolge bei unverheirateten und kinderlosen Erblassern
War die verstorbene Person nicht verheiratet und hat auch keine Kinder, geht der Nachlass in dem Fall an dessen Eltern, die per Gesetz die zweite Parentel darstellen (Artikel 458 ZGB). Das Vermögen wird beiden Elternteilen zu gleich grossen Teilen vererbt. Leben die Eltern der verstorbenen Person nicht mehr, sind deren Nachkommen an der Reihe. Haben diese keine weiteren Nachkommen (mehr), sind die Grosseltern in nächster Instanz erbberechtigt, gefolgt von deren Nachkommen.
Sollte der Fall eintreten, dass keine der erbberechtigten Verwandten mehr am Leben sind, besagt das Schweizer Gesetz, dass die hinterlassenden Vermögenswerte der entsprechenden Gemeinde beziehungsweise dem Kanton zugesprochen werden können (Artikel 466 ZGB).
Sind adoptierte Kinder erbberechtigt?
Adoptierte Söhne oder Töchter des Erblassers sieht das gesetzliche Erbrecht in der Schweiz gleichwertig zu blutsverwandten Kindern der verstorbenen Person. Sie werden demzufolge als deren vollumfänglich erbberechtigte Nachkommen angesehen.
Sonderfall 1: Erbrecht von Stiefkindern
Stiefkinder werden in der Erbfolge bisweilen überhaupt nicht berücksichtigt. Ohne ein Testament, das entsprechend vollstreckt werden kann, erhalten Stiefkinder oder deren Kinder seitens des Gesetzes demzufolge nichts vom hinterlassenen Vermögen.
Tipp: Haben Sie Stiefkinder und möchten diese in Ihrem Erbnachlass berücksichtigen, ist es notwendig, dies noch zu Lebzeiten in einem Testament oder Erbvertrag festzulegen. Ein Anwalt für Erbrecht kann Ihnen bei der Umsetzung die entsprechend notwendige Unterstützung bieten.
Sonderfall 2: Erbrecht von Konkubinatspartnern
Anders als eingetragene Partner finden Konkubinatspartner und -partnerinnen im gesetzlichen Schweizer Erbrecht keine Erwähnung. Das heisst, ohne ein formales Testament gehen diese sowie auch deren Kinder leer aus. Auch der Nachweis einer langjährigen Partnerschaft in eheähnlichem Verhältnis ändert diese Bestimmung nicht. Gesetzmässig eintragen lassen können sich in der Schweiz nur gleichgeschlechtliche Paare.
Tipp: Für unverheiratete Paare oder Patchwork-Familien ohne Trauschein ist es sinnvoll, bereits bei voller Gesundheit über ein Testament nachzudenken, die Ihre Liebsten im Fall aller Fälle absichert. Ein Rechtsanwalt kann Sie dabei unterstützen und Sie über die hiermit verbundenen Rechte und Pflichten aufklären.
Was ist der Pflichtteil im gesetzlichen Schweizer Erbrecht?
Der Pflichtteilanspruch wird in Artikel 471 ZGB geregelt und beschreibt den gesetzlichen Anspruch bestimmter Personen auf einen Teil des jeweils verfügbaren Erbes. Diese gesetzlich vorgesehen Erben bestehen in der einfachsten Form aus den ersten drei Parentelen des Systems: Ehegatten, Kinder und Eltern. Je nachdem können diese aber auch variieren, wenn der Verstorbene keine grosse Familie oder etwa eigenen Kinder hatte. Der Pflichtteilanspruch sichert diese Familienangehörigen davor ab, in einem Testament womöglich umgangen zu werden und bei einer Erbschaft benachteiligt zu werden.
Auch im Testament gelten die Pflichtteilansprüche
Was viele beim Aufsetzen ihres letzten Willens ohne anwaltliche Hilfe nicht berücksichtigen ist, dass der Pflichtteilanspruch auf eine bestimmte Person oder Erbgemeinschaft in einem Testament grundsätzlich nicht vollständig ausgeschlossen werden kann - selbst wenn die Verfasser des Testaments sich dies wünschen. Vom Gesetz her steht es bestimmten Angehörigen somit theoretisch zu, ihren Anteil mit dem Gang vor Gericht einzuklagen.
Auch im Testament gelten die Pflichtteilansprüche
Was viele beim Aufsetzen ihres letzten Willens ohne anwaltliche Hilfe nicht berücksichtigen ist, dass der Pflichtteilanspruch auf eine bestimmte Person oder Erbgemeinschaft in einem Testament grundsätzlich nicht vollständig ausgeschlossen werden kann - selbst wenn die Verfasser des Testaments sich dies wünschen. Vom Gesetz her steht es bestimmten Angehörigen somit theoretisch zu, ihren Anteil mit dem Gang vor Gericht einzuklagen.
Gewillkürte Erbabfolge und freie Quote im Schweizer Erbrecht
Kommen wir nun zu den Fällen, in denen das gesetzliche Schweizer Erbrecht in Kraft treten kann, obgleich ein formal korrektes Testament vorliegt. Das Gesetz wird dann relevant, wenn es um die Verteilung der gesetzlichen Erbansprüche vor dem Tode des Erblassers geht.
Diese müssen bei einer sogenannten „gewillkürlichten Erbfolge“ vom Erblasser beim Aufsetzen des Dokumentes berücksichtigt werden. Von einer gewillkürlichten Erbfolge spricht man, wenn der Erblasser während seiner Lebzeiten durch ein Testament oder auch Erbvertrag gemäss Artikel 470 ZGB selbst festlegt, zu welchen Anteilen er bestimmte Familienmitglieder berücksichtigen möchte.
Gesetzmässige Erbansprüche im Testament festlegen
Treffen Sie zu Lebzeiten bereits Vorsorge über Ihr Erbe, können Sie auch gleichzeitig einen Überblick darüber erhalten, welche Ihrer Verwandten laut Gesetz wie viel Anteile an Ihrem Vermögen erhalten werden. Je nach berücksichtigten Parentelen fällt die Berechnung etwas anders aus. Den frei verfügbaren Teil Ihres Vermögens, die sogenannte „freie Quote“, können Sie dann noch selbst zuweisen.
Berechnungsbeispiele:
- Sie möchte Ihren Ehepartner sowie Ihre Eltern beerben: In diesem Fall beträgt der rechtmässige Teil, den Ihr Partner bekommt, drei Achtel, Ihre Eltern erhalten ein Achtel. Über die verbleibende Hälfte können Sie selbst frei verfügen.
- Sie möchten Ihr Erbe zwischen Ihrer Ehepartnerin und Ihren Kindern aufteilen: Laut Gesetz erhält Ihre Ehefrau in diesem Fall ein Viertel, Ihr Nachwuchs drei Achtel Ihres Vermögens. Wer von ihnen den Rest, sprich die übrigen drei Achtel erhält, dürfen Sie selbst entscheiden.
- Sie möchten Ihren Nachlass Ihrem Ehepartner und Ihren Geschwistern hinterlassen: Der gesetzliche Anteil Ihres Ehegatten wird drei Achtel betragen, Geschwister haben keinen gesetzlichen Rechtsanspruch. Sie können die fünf Achtel also beliebig unter ihnen aufteilen.
Die geplante Revision des gesetzlichen Erbrechts in der Schweiz: Was soll sich ändern?
Nach mehr als 100 Jahren soll das gesetzliche Schweizer Erbrecht zum derzeit geplanten Jahr 2023 geändert werden. Angedacht ist vor allem eine Modernisierung und Anpassung an aktuelle Familienverhältnisse.
Beispiele geplanter Änderungen im neuen Erbrecht
- Modernen Familiensituationen wie der Patchwork-Familienkonstellation sollen mehr Planungsrechte eingeräumt werden.
- Etappenweise Reduzierung der gesetzlichen Pflichtanteile für die verschiedenen Parentelen, für Eltern wird dieser gänzlich entfallen
- Höhere frei verfügbare Quote für die eigenen Kinder
Weitere Änderungen in der zweiten Etappe sind unter anderem Anpassungen an bestimmte Gesetze in Bezug auf die Erbschaftsregelung innerhalb Familienunternehmen sowie technische Aspekte innerhalb des Erbschaftsrechts. Das Inkrafttreten der ersten Etappe war zuletzt für Januar 2023 im Gespräch, Änderungen sind hierbei jedoch noch jederzeit möglich.
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FAQ: Erbrecht Schweiz
Das Gesetz regelt die Rechte und Pflichten innerhalb einer Erbgemeinschaft. Liegt kein Testament seitens des Erblassers vor, bestimmt es zudem die gesetzliche Erbfolge innerhalb einer Familie innerhalb des Parentelsystems. Darüber hinaus bestimmt es die gesetzlichen Erbanteile bestimmter Personenkreise.
Eine Erbengemeinschaft bezeichnet mehrere Hinterbliebene eines Verstorbenen. Diese bildet sich nach Schweizer Recht automatisch und unabhängig davon, ob ein Testament oder ob einer der Erben vorhat, auf sein Erbe zu verzichten. Nach Artikel 602 ZGB besteht eine Erbengemeinschaft bis zu dem Zeitpunkt, zu der die Teilung des Erbes unter den beteiligten Erben vollständig vollzogen ist.
Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Erbengemeinschaft teilen sich alle Erben das gemeinsame Recht auf das Erbe und unterliegen ebenfalls gemeinsam den damit zusammenhängenden Pflichten, die in Artikel 602 und 604 ZGB ausgeführt sind. Das ist auch dann der Fall, wenn bestimmten Erben bereits bestimmte Vermögenswerte durch das Testament des Erblassers versprochen sind. Auch für mögliche Schulden wird zunächst gemeinsam gehaftet.
Der Ehepartner bzw. die Ehepartnerin und die Kinder eines Erblassers sind die ersten Erbberechtigten. Dann folgen die Nachkommen der Kinder, die Eltern und Nachkommen des Erblassers, die Grosseltern sowie deren Nachkommen.
Der Pflichtteilanspruch ist der gesetzliche Anspruch bestimmter Personen auf einen Teil des Erbes. Diese gesetzlich vorgesehen Erben bestehen zumeist aus den ersten drei Parentelen: Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner, Kinder und Eltern der verstorbenen Person.
Von einer gewillkürlichten Erbfolge ist die Rede, wenn der Erblasser während seiner Lebzeiten durch ein Testament festlegt, zu welchen Anteilen er bestimmte Personen berücksichtigen möchte. Bestimmte Anteile stehen von Gesetzes wegen fest, die verbleibenden Vermögensanteile kann der Erblasser selbst verteilen.
Laut Artikel 566 Absatz 1 ZGB besteht eine gesetzliche Frist von drei Monaten, innerhalb dessen Sie die Annahme einer erworbenen Erbschaft aus bestimmten Gründen ablehnen bzw. ausschlagen können. Die Erklärung muss schriftlich erfolgen.
Bei einer Enterbung wird zwischen zwei verschiedenen Fälle unterschieden. Zum einen gibt es die Strafenterbung (Artikel 477 ZGB), für die auf Grundlage von schweren Strafvergehen oder schuldhaft begangener, schwerer Fälle von familiärer Vernachlässigung eine vollständige Enterbung eines Erben in Betracht kommen kann. Eine Präventiventerbung nach Artikel 480 ZGB kann aufgrund einer finanziellen Verschuldung eines Erben erfolgen, jedoch nur zu einem gewissen Anteil.