Erbschaft in der Schweiz:
Die wichtigsten Fragen und Antworten

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Kalender Icon 31. Januar 2024

Die Themen Tod und Erbschaft sind in unserer Gesellschaft teilweise noch immer tabuisiert. Aus rechtlicher Sicht ist es jedoch sinnvoll, sich damit auseinanderzusetzen. Im folgenden Artikel erklären wir Ihnen die rechtlichen Grundlagen rund um den Nachlass auf einfache und verständliche Weise.

Auf einen Blick

  • Als Nachlass bezeichnet man das gesamte aktive und passive Vermögen eines Erblassers oder einer Erblasserin, einschliesslich der Verbindlichkeiten und Schulden.
  • Liegt kein Testament oder Erbvertrag vor, gilt die Erbfolge des schweizerischen Erbrechts nach dem sogenannten Parentelsystem.
  • Der Wert des Nachlasses wird in der Regel von einer Notarin oder einem Notar festgestellt.

Was versteht man unter Nachlass?

Das schweizerische Erbrecht bezeichnet mit dem Begriff Nachlass oder Erbmasse das aktive und passive Vermögen eines Erblassers oder einer Erblasserin. Darunter versteht man das gesamte Eigentum der verstorbenen Person:

  • Bar- und Kapitalvermögen
  • Grundstücke und Immobilien
  • Privateigentum

Auch laufende Verpflichtungen und Schulden gehören dazu.

 

Definition Vorlass

Wenn eine Person zu Lebzeiten Gegenstände oder Archivalien (z.B. Aufzeichnungen, Fotos) z.B. einem Museum oder einer Universität vermacht, spricht man von einem «Vorlass». Ein Vorlass wird durch einen rechtsgültigen Schenkungsvertrag und/oder einen Archivierungsvertrag (Depositalvertrag) geregelt. In den meisten Fällen beinhaltet ein solcher Vertrag, dass das Archivmaterial auch nach dem Tod des Besitzers in der Institution verbleibt.

Wie kann ich meinen Nachlass regeln und bin ich dazu verpflichtet?

Sie können zu Lebzeiten dafür sorgen, dass Ihr Erbe nach Ihrem Tod nach Ihren Wünschen aufgeteilt wird. Nach dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB) kann dies durch ein Testament oder einen Erbvertrag geschehen (Artikel 481 ZGB). Bei der Eheschliessung können entsprechende Bestimmungen auch im Ehevertrag festgelegt werden. Mit diesen rechtsgültigen Urkunden können allenfalls Erbstreitigkeiten vermieden werden.

Die erwähnten Verträge sind für Schweizer Bürgerinnen und Bürger freiwillig. Sie müssen kein Testament aufsetzen, wenn Sie dies nicht möchten. Sie können auch zu Lebzeiten mit einem Schenkungsvertrag Vermögenswerte an bestimmte Personen übertragen oder eine nahestehende Person in Ihrer Lebensversicherung bedenken. Ohne Testament oder Erbvertrag gilt das schweizerische Erbrecht.

Erbfolge: Wie sieht die gesetzliche Erbfolge in der Schweiz aus?

Die Erbfolge richtet sich gemäss Artikel 457 ff. ZGB nach dem Parentelsystem. Dabei wird die Erbengemeinschaft in Verwandtschaftsgrade eingeteilt. Die Rangfolge ist wie folgt

  • 1. Parentel = Nachkommen
  • 2. Parentel = Eltern und Nachkommen
  • 3. Parentel = Grosseltern und Nachkommen

Ehegatten und eingetragene Partner stehen ausserhalb des Parentelsystems, haben aber gemäss Artikel 462 ZGB ebenfalls einen gesetzlichen Erbanspruch. Dieser hängt davon ab, mit welchem Parentel zu teilen ist.

Bei unverheirateten und kinderlosen Paaren sind in erster Linie die Eltern der Erblasserin erbberechtigt. Die Rechte richten sich dann nach dem Parentelsystem, wenn die jeweils nächsten Verwandten nicht mehr leben oder nicht mehr vorhanden sind. Adoptivkinder haben die gleiche Stellung wie eigene Kinder, während Stiefkinder von Gesetzes wegen nicht erbberechtigt sind.

 

Mitglieder der Erbengemeinschaft

Eine Erbengemeinschaft entsteht automatisch mit dem Tod des Erblassers. Die Erbengemeinschaft besteht gemäss Artikel 602 ZGB aus den erbberechtigten Personen. Unter ihnen wird der Nachlass bzw. das Erbe des Erblassers aufgeteilt. Bis zum Abschluss der Erbteilung stehen ihnen gemeinschaftliche Rechte und Pflichten nach Artikel 603 ff. ZGB.

 

Eintritt des gesetzlichen Erbrechts

Das Erbrecht regelt die gesetzliche Erbfolge, wenn kein Testament vorliegt. Die in einem Testament festgelegte Erbfolge geht der gesetzlichen Erbfolge vor und kann allenfalls durch einstimmige abweichende Teilungsvorschläge der Erbengemeinschaft untereinander beeinflusst werden. Allerdings sind auch bei Vorliegen eines Testaments die gesetzlichen Pflichtteilsansprüche einzelner Verwandter zu beachten. Diese sind Bestandteil des Gesetzes und können im Zweifel von den Erben angefochten werden.

Wie wird mein Nachlass später verteilt?

Wurde durch Testament kein Willensvollstrecker mit der Ausarbeitung von Teilungsvorschlägen beauftragt oder liegt kein Testament vor, ist die Teilung des Nachlasses Aufgabe der Erbengemeinschaft unter sich. Wann die Erbinnen die Teilung vornehmen, können sie grundsätzlich allein bestimmen. Eine Ausnahme besteht dann, wenn gesetzliche Vorschriften dies erfordern. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn eine sofortige Schuldentilgung vorgenommen werden muss.

 

Definition Realteilung

Die Realteilung gemäss Artikel 634 Absatz 1 ZGB ist die Vereinbarung über die Teilung von Privatvermögen des Erblassers. Verständlicherweise können diese oft nicht geteilt werden, sondern werden einer bestimmten Erbin zugeteilt. Auch darüber entscheidet die Erbengemeinschaft unter sich. Können sie sich nicht einigen, entscheidet das Los. Es empfiehlt sich, den Wert der Gegenstände schätzen zu lassen und diesen dann mit dem zustehenden Anteil zu verrechnen.

 

Erbteilungsvertrag

Sobald sich die Erbengemeinschaft über die Teilung einig ist, kann sie auch einen Erbteilungsvertrag abschliessen. Dieser sichert ihre gemeinsame Entscheidung ab und kann spätere Erbstreitigkeiten vermeiden. Ein auf Erbrecht spezialisierter Anwalt kann die Erbengemeinschaft bei der Abfassung eines solchen Vertrages unterstützen, um rechtliche Fallstricke und Vertragslücken zu vermeiden.

 

Behördenpflichten bei der Erbteilung

Die Behörde des zuständigen Kantons tritt an die Erben heran. Sie wird einerseits das tatsächliche Steuerinventar dokumentieren und andererseits die korrekte Höhe der Erbschaftssteuer festlegen. Wichtig zu wissen ist, dass für die Besteuerung des Nachlasses jede Erbin und jeder Erbe einzeln verantwortlich ist.

Wer ermittelt den Wert des Nachlasses und wie funktioniert das?

Der Wert des Nachlasses wird in der Regel von einer Notarin oder einem Notar festgestellt. Diese Person wird auch Urkundsperson genannt. Die Aufstellungen erhält die Urkundsperson entweder von der Erbengemeinschaft selbst oder von einem beauftragten Testamentsvollstrecker. In der Dokumentation sind sowohl das Vermögen als auch die laufenden vertraglichen Verpflichtungen und die Restschulden des Erblassers aufgeführt.

 

Bewertung von Versicherungen und Verträgen

Für die Berechnung des Nachlasses müssen auch Unterlagen wie laufende Versicherungen, Wertanlagen und abgeschlossene Vorsorgeverträge berücksichtigt werden. Oft ergeben sich daraus auch besondere Ansprüche gegenüber begünstigten Personen wie Ehegatten oder Kindern (z.B. Witwen- oder Waisenrenten).

 

Grundstücke und Immobilien

Aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtteile, die bestimmte Personen erhalten und auch einfordern können, müssen manchmal Grundstücke oder Häuser verkauft werden. Wenn Sie als Erblasser sicherstellen möchten, dass dies nicht geschieht, können Sie diese bereits zu Lebzeiten Ihren Wunscherben schenken. In diesem Fall empfiehlt sich der Abschluss eines Schenkungsvertrages.

 

Wer erbt wie viel von meinem Nachlass?

Wer wie viel von Ihrem Nachlass erbt, wird in erster Linie bestimmt durch

  • die private Vereinbarung der Erbengemeinschaft
  • die gesetzliche Erbfolge des Parentelsystems oder
  • die in einem Testament festgelegte Teilung.

Im Falle eines Testaments können bestimmte Personen nicht vollständig übergangen werden. Dies regelt das gesetzliche Pflichtteilsrecht. Danach stehen bestimmten Verwandten prozentuale Anteile zu. Wie hoch diese sind, hängt von mehreren Faktoren ab, insbesondere von Ihrer Familienkonstellation und der gewünschten Aufteilung des Erbes.

 

Freie Quote

Bei der Berechnung des Pflichtteils bleibt nach Artikel 470 ZGB ein bestimmter Prozentsatz frei, die sogenannte freie Quote. Mit dieser können Sie zu Lebzeiten bestimmen, wer sie erhalten soll.

Beispiel: Ihr letzter Wille sieht vor, dass Ihr Nachlass zwischen Ihrem Ehegatten und Ihren Kindern aufgeteilt wird. In diesem Fall erhalten Ihr Ehepartner und Ihre Kinder je ein Viertel Ihres Vermögens. Die freie Quote beträgt also die Hälfte und Sie entscheiden, wer sie erhalten soll.

 

Was ist eine güterrechtliche Auseinandersetzung?

Unter güterrechtlicher Auseinandersetzung versteht man die Feststellung der Vermögensverhältnisse eines Ehepaares nach der Scheidung eines Partners. Dabei muss geklärt werden, welches Vermögen wem von seinem Ursprung her gehört. Folgende Aspekte sind dabei relevant:

 

Definition Gütertrennung

Gütertrennung liegt vor, wenn beide Partner auch nach der Eheschliessung ihr Vermögen unabhängig voneinander behalten. Dies hat zur Folge, dass die überlebende Person von Gesetzes wegen zunächst kein Vermögen von ihrem Ehepartner erhält. Lediglich das gemeinsam erworbene oder gemeinsam verwaltete Vermögen muss geteilt werden.

 

Definition Gütergemeinschaft

Von einer Gütergemeinschaft spricht man, wenn die Ehegatten in einem Ehevertrag vereinbaren, dass ihnen das gesamte Vermögen gemeinsam gehört. Der überlebende Ehegatte erhält dann den grössten Teil des Nachlasses.

 

Definition Errungenschaftsbeteiligung

Haben die Ehegatten nichts anderes vereinbart, gilt die Errungenschaftsbeteiligung. Diese besagt, dass die überlebende Partnerin ihr Eigengut und die Hälfte der Erbschaft erhält. Die andere Hälfte wird als Nachlass bezeichnet, dessen Vermögenswerte theoretisch auch einem anderen Erben zufallen können.

 

Wann sollte ich meinen Nachlass regeln?

Am besten so früh wie möglich. Ein Testament oder ein Erbvertrag empfiehlt sich vor allem dann, wenn grössere Vermögenswerte vorhanden sind oder Sie Personen bedenken möchten, die von Gesetzes wegen nicht erbberechtigt sind. Das Recht, ein Testament zu errichten, haben Sie in der Schweiz ab dem vollendeten 18. Lebensjahr. Wenn Sie Ihre Unterschrift bei voller Gesundheit leisten und dies bezeugt wird, brauchen Sie sich auch keine Sorgen zu machen, dass ein Testament z.B. wegen Urteilsunfähigkeit für ungültig erklärt oder angefochten werden kann.

 

Worauf muss ich bei der Nachlassplanung besonders achten?

Patchworkfamilien sollten beachten, dass das schweizerische Erbrecht Stiefkindern von Gesetzes wegen keinen Erbteil zuspricht. Das bedeutet, dass sie ohne Testament unter Umständen leer ausgehen. Adoptierte Kinder haben den gleichen Status wie eigene Kinder. Auch nicht eingetragene Konkubinatspartner sind von Gesetzes wegen nicht erbberechtigt und sollten in einem Testament berücksichtigt werden.

Das Schweizer Erbrecht wird zurzeit revidiert und modernisiert. Seit Januar 2023 sind die ersten Neuerungen in Kraft, die sich vor allem auf die Verfügungsfreiheit der Erblasserinnen und Erblasser auswirken, indem die bisherigen Pflichtteile reduziert werden. Diese Erweiterung der Verfügungsfreiheit ermöglicht es der Erblasserin, Personen ihrer Wahl grosszügiger zu begünstigen, was auch den Bedürfnissen moderner Familienkonstellationen wie Patchworkfamilien besser gerecht wird.

 

Wann ist es sinnvoll, einen Willensvollstrecker einzusetzen?

Nach Ihrem Tod gehen alle Rechte und Pflichten auf Ihre Erbengemeinschaft über, von der Erbschaftsermittlung über die Schuldentilgung und den Verkehr mit Ämtern und Behörden bis hin zur Teilung Ihres Nachlasses. Wenn Sie eine Willensvollstreckerin einsetzen, übernimmt diese alle diese Aufgaben. Sie unterbreitet auch Teilungsvorschläge. Die Einsetzung einer Willensvollstreckerin oder eines Willensvollstreckers ist also dann sinnvoll, wenn Sie nicht möchten, dass die Hinterbliebenen die genannten Aufgaben selbst erledigen, oder auch, um allfällige Erbstreitigkeiten zu vermeiden.

 

Wann sollte ich eine Rechtsanwältin konsultieren?

Eine anwaltliche Beratung kann in vielen Situationen sinnvoll sein. Beim Abschluss eines Testaments oder Erbvertrags kann sie den Erblasser unterstützen und rechtlich absichern. So können Erbstreitigkeiten vermieden werden.

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FAQ: Nachlass in der Schweiz

Als Nachlass wird der Gesamtbesitz eines Erblassers beziehungsweise einer Erblasserin bezeichnet, inklusive der Verpflichtungen und Schulden.

Selbst regeln können Sie die Verteilung Ihres Erbes über ein Testament oder einen Erbvertrag. Durch Schenkungen oder Erbvorbezüge können Sie sich bereits zu Lebzeiten um einen Teil kümmern.

Die Dokumentation führt in der Regel ein Notar durch. Die notwendigen Informationen erhält dieser von der Erbengemeinschaft oder von einem beauftragten Willensvollstrecker.

Die Erbteilung erfolgt je nach Situation durch Ihre Erbgemeinschaft selbst, durch Ihren letzten Willen im Testament oder durch die gesetzlich festgesetzte Erbreihenfolge des Schweizer Erbrechts. Zusätzlich fliesst der Rechtsanspruch der Pflichtanteile bei der Aufteilung mit ein.

 

Zur Aufsetzung eines Testaments oder Erbvertrags sind alle Schweizer Bürger und Bürgerinnen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr berechtigt.

 

Die Aufsetzung eines Testaments oder Erbvertrags ist für Schweizer freiwillig. Sollte nach Ihrem Tod kein Schriftstück dieser Art existieren, greift das Schweizer Erbrecht und bestimmt die gesetzliche Erbfolge.

Diese ist grundsätzlich für jede Person empfehlenswert, die ihr Erbe guten Gewissens geregelt wissen möchte. Besonders empfehlenswert ist eine schriftliche Nachlassregelung für Patchworkfamilien und Konkubinatspartner, denn diese als auch Stiefkinder werden laut Schweizer Erbrecht derzeit in der Erbfolge nicht berücksichtigt.

Gesetzesartikel

Gesetzliche Erbfolge (Artikel 457 ff. ZGB)

Erbengemeinschaft (Artikel 602 ff. ZGB)

Freie Quote und Pflichtteile (Artikel 470 ff. ZGB)

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