Lesezeit 8 Minuten
8 Min.
6 Leser fanden diesen Artikel hilfreich
Die Themen Sterblichkeit und Erbschaft werden in unserer Gesellschaft mitunter nach wie vor tabuisiert. Sich damit auseinanderzusetzen, ist aus rein rechtlicher Sicht jedoch sinnvoll. In folgendem Artikel erklären wir Ihnen die rechtlichen Grundlagen bezüglich des Nachlasses auf einfache und verständliche Weise.
Das Schweizer Erbrecht bezeichnet mit dem Wort Nachlass oder auch Erbmasse das aktive sowie passive Vermögen eines Erblassers beziehungsweise einer Erblasserin. Damit ist der gesamte Besitz der verstorbenen Person gemeint:
Gleichermassen gehören dazu auch laufende Verpflichtungen und Schulden.
Sollte eine Person zu Lebzeiten Gegenstände oder Archivmaterial (z. B. Aufzeichnungen, Fotos) beispielsweise einem Museum oder einer Universität vermachen, ist dies ein «Vorlass». Eine Vorlassregelung wird durch einen rechtsgültigen Schenkungsvertrag und/oder Archivierungsvertrag (Depositalvertrag) geschlossen. In den meisten Fällen inkludiert ein solcher, dass das Archivmaterial auch nach dem Tod des Besitzers bei der Einrichtung verbleiben darf.
Die genannten Verträge sind für Schweizer Bürger und Bürgerinnen freiwillig. Sie müssen kein Testament aufsetzen, wenn Sie nicht möchten. Alternativ können Sie zu Lebzeiten auch Güter an bestimmte Personen durch einen Schenkungsvertrag übertragen oder eine nahestehende Person in Ihrer Lebensversicherung berücksichtigen. Sollte kein Testament oder Erbvertrag vorhanden sein, greift die Erbfolge des Schweizer Erbrechts.
Die Erbfolge erfolgt laut Artikel 457 ff. ZGB nach dem Parentelsystem. Dabei wird die Erbengemeinschaft in Verwandtschaftsgrade unterteilt. Die Prioritätensetzungen sind:
Ehepartner haben infolge des Ehegatten-Erbrechts diese hohe Stellung. Bei unverheirateten und kinderlosen Paaren sind die Eltern der Erblasserin die ersten Erbberechtigten. Die Rechte orientieren sich dann am Parentelsystem entlang, wenn die jeweils nächsten Verwandten nicht mehr leben oder nicht existieren. Adoptivkinder haben die gleiche Stellung wie eigene Kinder, Stiefkinder sind hingegen gesetzlich nicht erbberechtigt.
Eine Erbengemeinschaft bildet sich automatisch, wenn der Erblasser stirbt. Die Erbengemeinschaft setzt sich laut Artikel 602 ZGB aus den erbberechtigten Personen zusammen. Unter ihnen wird dann der Nachlass beziehungsweise das Erbe des Verstorbenen aufgeteilt. Bis zum Ende der Erbaufteilung fallen für sie gemeinschaftliche Rechte und Pflichten laut Artikel 603 ff. ZGB an.
Das Erbgesetz regelt die gesetzliche Erbfolge, wenn es kein Testament gibt. Die in einem Testament festgesetzte Erbfolge steht über der des Gesetzes und kann höchstens durch einstimmige anderweitige Teilungsvorschläge der Erbengemeinschaft untereinander beeinflusst werden. Jedoch gilt es auch für den Fall, dass ein Testament vorhanden ist, die gesetzlichen Pflichtteilansprüche bestimmter Verwandter zu berücksichtigen. Diese sind fester Gesetzesbestandteil und können von Erben im Zweifelsfall angefochten werden.
Wenn kein Willensvollstrecker zur Unterbreitung der Teilungsvorschläge per Testament beauftragt wurde oder kein Testament vorliegt, ist die Erbteilung die Aufgabe der Erbengemeinschaft untereinander. Wann die Erbinnen die Teilung vornehmen, können diese grundsätzlich allein bestimmen. Eine Ausnahme besteht dann, wenn rechtliche Vorgaben dies fordern. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn eine sofortige Schuldtilgung getätigt werden muss.
Von einer Realteilung spricht das Gesetz laut Artikel 634, Absatz 2 ZGB, wenn Privatgegenstände des Erblassers aufgeteilt werden müssen. Verständlicherweise ist es dann oft nicht möglich, diese zu teilen, sondern sie werden einer bestimmten Erbin überlassen. Dies entscheidet ebenfalls die Erbengemeinschaft untereinander. Empfehlenswert ist es, den Wert der Gegenstände ermitteln zu lassen und diesen dann mit dem zustehenden Anteil gegenzurechnen.
Sobald sich die Erbengemeinschaft über die Teilung einig ist, ist es ihr auch möglich, laut Artikel 634, Absatz 1 ZGB einen Erbteilungsvertrag zu unterzeichnen. Dieser sichert ihren gemeinschaftlichen Beschluss ab und kann spätere Erbstreitigkeiten vermeiden. Ein Anwalt für Erbrecht kann die Erbengemeinschaft beim Aufsetzen eines solchen Vertrages unterstützen, um rechtliche Stolperfallen und Vertragslücken zu vermeiden.
Die Behörde des zuständigen Kantons wird auf die Erben zukommen. Sie wird zum einen das tatsächliche Steuerinventar dokumentieren, zum anderen die korrekte Höhe der Erbschaftssteuer ermitteln. Wichtig zu wissen ist, dass hinsichtlich der Versteuerung des Erbes alle Erbinnen und Erben einzeln verantwortlich sind.
Wie viel der Nachlass wert ist, wird in der Regel von einem Notar dokumentiert. Dieser wird auch als Urkundsperson bezeichnet. Die Aufstellungen erhält die Urkundsperson entweder von der Erbengemeinschaft selbst oder von einem beauftragen Willensvollstrecker. Die Dokumentation gibt am Ende sowohl das Vermögen als auch laufende vertragliche Verpflichtungen und Restschulden der verstorbenen Person an.
Zur Berechnung des Nachlasses müssen auch Unterlagen wie zum Beispiel laufende Versicherungen, Wertanlagen und abgeschlossene Verträge über Vorsorgeleistungen berücksichtigt werden. Hieraus ergeben sich oftmals auch gesonderte Ansprüche hinsichtlich begünstigter Personen wie Ehepartner oder Kinder (etwa durch Witwen- oder Waisenrente).
Aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtanteile, die bestimmte Personen erhalten und auch einfordern können, müssen Grundstücke oder Häuser mitunter verkauft werden. Wenn Sie als Erblasser sicherstellen möchten, dass dies nicht geschieht, ist es möglich, Ihren gewünschten Erben noch zu Lebzeiten damit zu beschenken. Ein Schenkungsvertrag ist in diesem Fall anzuraten.
Der primär bestimmende Faktor, wer welchen Anteil Ihres Nachlasses erbt, ergibt sich entweder durch
Im Fall eines Testaments können bestimmte Personen nicht vollständig umgangen werden. Das besagt der gesetzliche Pflichtteilanspruch. Demnach stehen bestimmten Verwandten prozentuale Anteile zu. Wie hoch diese sind, hängt von mehreren Faktoren ab, insbesondere von Ihrer Familienkonstellation und Ihrer gewünschten Aufteilung des Erbes.
Bei der Berechnung der Pflichtteilansprüche wird laut Artikel 470 ZGB ein bestimmter Prozentanteil frei, welcher als freie Quote bezeichnet wird. Über diese können Sie noch bei Lebzeiten bestimmen, wer sie erhalten soll.
Beispiel: Ihr letzter Wille besagt, dass Ihr Nachlass zwischen Ihrem Ehepartner und Ihren Kindern aufgeteilt werden soll. In diesem Fall erhält Ihr Ehepartner ein Viertel und Ihre Kinder erhalten drei Achtel Ihres Vermögens. Die freie Quote beträgt demnach drei Achtel. Es ist an Ihnen, zu entscheiden, wer diese erhalten soll.
Mit einer güterrechtlichen Auseinandersetzung ist die Ermittlung des Besitzstandes eines Ehepaares gemeint, nachdem einer der Partner verschieden ist. Hier muss eruiert werden, welche Besitztümer vom Ursprung her wem gehören. Dabei sind die folgenden Aspekte relevant:
Eine Gütertrennung liegt dann vor, wenn beide Partner auch nach einer Eheschliessung ihre Güter unabhängig voneinander halten. Infolgedessen erhält die hinterlassene Person gesetzlich vorerst keine Güter von ihrem Ehepartner. Lediglich die gemeinsam gekauften beziehungsweise verwalteten Güter müssen aufgeteilt werden.
Von einer Gütergemeinschaft ist die Rede, wenn Ehepartner sich durch einen Ehevertrag darüber einigen, dass ihnen alle Vermögenswerte gemeinsam gehören. Damit erhält der hinterbliebene Partner den grössten Teil der Hinterlassenschaft.
Wenn keine spezielle Vereinbarung zwischen den Eheleuten vorliegt, greift die Errungenschaftsbeteiligung. Diese legt fest, dass die hinterbliebene Partnerin ihr eigenes Hab und Gut sowie die Hälfte der Hinterlassenschaft erhält. Die andere Hälfte wird als Nachlass definiert, dessen Vermögen theoretisch auch einem anderen Erben zuteilwerden kann.
Am besten so früh wie möglich. Insbesondere wenn grössere Vermögenswerte vorhanden sind oder Sie laut Gesetz nicht erbberechtigte Personen hinzufügen möchten, ist ein Testament oder Erbvertrag empfehlenswert. Zum Abschluss eines Testaments sind Sie in der Schweiz ab dem vollendeten 18. Lebensjahr berechtigt. Leisten Sie Ihre Unterschrift bei bester Gesundheit und wird dies bezeugt, müssen Sie sich auch keine Sorgen machen, dass ein Testament etwa wegen verminderter Urteilsfähigkeit als nichtig erklärt oder angefochten werden kann.
Patchworkfamilien sollten beachten, dass das Schweizer Erbrecht Stiefkindern gesetzlich keinerlei Erbanteil zuspricht. Das heisst, wenn Sie kein Testament aufsetzen, gehen diese unter Umständen leer aus. Adoptierte Kinder hingehen haben denselben Status wie eigene Kinder. Auch nicht eingetragene Konkubinatspartner sind von Gesetzes wegen nicht erbberechtigt und sollten in einem Testament bedacht werden.
Derzeit ist eine Revision des Schweizer Erbrechts geplant, das eine Modernisierung dieses Status vorsieht. Insbesondere die Situation von Patchworkfamilien sollen dahingehend Berücksichtigung finden. Per Juni 2021 war ein Inkrafttreten des neuen Erbgesetzes für Januar 2023 im Gespräch, Verschiebungen sind jedoch möglich.
Nach Ihrem Ableben gehen alle Rechte und Pflichten von der Beauftragung der Nachlassermittlung über die Schuldentilgung bis hin zur Kommunikation mit Ämtern und Behörden und letztendlich der Teilung Ihres Nachlasses an Ihre Erbengemeinschaft über. Beauftragen Sie eine Willensvollstreckerin, übernimmt sie all diese Tätigkeiten. Zudem unterbreitet sie Teilungsvorschläge. Die Beauftragung eines Willensvollstreckers ist also sinnvoll, wenn Sie den Hinterbliebenen die genannten Aufgaben nicht selbst erledigen lassen möchten oder auch, um mögliche Erbstreitigkeiten zu vermeiden.
Die Konsultation einer Anwältin kann in vielen Situationen sinnvoll sein. Beim Abschluss eines Testaments oder Erbvertrages kann sie dem Erblasser behilflich sein und rechtlich absichern. Damit können Erbstreitigkeiten vermieden werden.
Als Nachlass wird der Gesamtbesitz eines Erblassers beziehungsweise einer Erblasserin bezeichnet, inklusive der Verpflichtungen und Schulden.
Selbst regeln können Sie die Verteilung Ihres Erbes über ein Testament oder einen Erbvertrag. Durch Schenkungen oder Erbvorbezüge können Sie sich bereits zu Lebzeiten um einen Teil kümmern.
Die Dokumentation führt in der Regel ein Notar durch. Die notwendigen Informationen erhält dieser von der Erbengemeinschaft oder von einem beauftragten Willensvollstrecker.
Die Erbteilung erfolgt je nach Situation durch Ihre Erbgemeinschaft selbst, durch Ihren letzten Willen im Testament oder durch die gesetzlich festgesetzte Erbreihenfolge des Schweizer Erbrechts. Zusätzlich fliesst der Rechtsanspruch der Pflichtanteile bei der Aufteilung mit ein.
Zur Aufsetzung eines Testaments oder Erbvertrags sind alle Schweizer Bürger und Bürgerinnen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr berechtigt.
Die Aufsetzung eines Testaments oder Erbvertrags ist für Schweizer freiwillig. Sollte nach Ihrem Tod kein Schriftstück dieser Art existieren, greift das Schweizer Erbrecht und bestimmt die gesetzliche Erbfolge.
Diese ist grundsätzlich für jede Person empfehlenswert, die ihr Erbe guten Gewissens geregelt wissen möchte. Besonders empfehlenswert ist eine schriftliche Nachlassregelung für Patchworkfamilien und Konkubinatspartner, denn diese als auch Stiefkinder werden laut Schweizer Erbrecht derzeit in der Erbfolge nicht berücksichtigt.