Erbvorbezug –
Das gibt es bei der Erbauszahlung zu Lebzeiten zu beachten

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Kalender Icon 07. Februar 2022

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit denen Erblasser bereits zu Lebzeiten ihr Vermögen mit ihren Erben teilen können. So können die Eltern beispielsweise ihre Kinder finanziell beim Kauf einer Immobilie unterstützen oder diesen das elterliche Wohnhaus überschreiben. Dazu eignet sich die besondere Form der Schenkung, der sogenannte Erbvorbezug. Was hinter diesem Begriff steckt und was Sie dabei beachten sollten, lesen Sie in diesem Artikel.

Auf einen Blick

  • Der Erbvorbezug ist eine spezielle Art der Schenkung und findet auf freiwilliger Basis statt.
  • Bei Eintritt des Erbfalls ergibt sich aus einem Erbvorbezug in der Regel eine Ausgleichspflicht. Auf Wunsch der Erblasser kann diese ausgesetzt werden.
  • Rechtlich gesehen muss ein Erbvorbezug nicht schriftlich vollzogen werden. Es empfiehlt sich allerdings trotzdem, dies vertraglich festzuhalten.

Was versteht man unter Erbvorbezug?

Der Erbvorbezug ist die frühere Auszahlung eines Teils des Erbes. Sie erfolgt freiwillig durch den Erblasser an einen oder mehrere zukünftige Erben. Der Bezug gilt als eine Sonderform der Schenkung. Meist setzen Erblasser dieses Instrument ein, um Kinder oder andere nahe Verwandte zu unterstützen. Dabei kann es sich um finanzielles Vermögen oder um Sachwerte handeln. So kann etwa auch ein Haus vorzeitig überschrieben werden. Besonders zu beachten ist die grundsätzliche Ausgleichspflicht, die bei einem Erbvorzug besteht.

Das Erbrecht in der Schweiz ist im dritten Teil des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) festgelegt. Die gesetzlichen Bestimmungen zur Erbschaft greifen dann, wenn kein Testament vorhanden ist oder dieses ungültig ist (z. B. aufgrund von Formfehlern). Regelungen wie jene zu den Pflichtteilen müssen in jedem Fall eingehalten werden.

Was ist eine Ausgleichspflicht?

Die Ausgleichspflicht besagt, dass die im Rahmen eines Erbvorbezugs geschenkten Vermögenswerte beim Eintreten des Erbfalls ausgeglichen werden müssen. Gesetzlich ist dies in Artikel 626 ZGB geregelt. Hat eine Erbin bereits zu Lebzeiten der Eltern einen finanziellen Erbvorzug bekommen, so bekommt diese Person im Erbfall einen geringeren Betrag als die anderen Erben.

Auf Wunsch kann diese Ausgleichspflicht vom Erblasser ausgesetzt werden. In diesem Fall ist die Bezieherin des Erbvorbezugs nicht zu einer Rückzahlung verpflichtet und das Erbe wird zu gleichen Teilen auf alle Erben aufgeteilt. Das Erlassen der Pflicht muss zwingend schriftlich festgehalten werden. Ausnahmen ergeben sich bezüglich des Pflichtteils eines Erbes – dieser muss nämlich immer ausbezahlt werden.

Im Endeffekt ist die Ausgleichspflicht nur relevant, wenn es mehrere Erben gibt. In diesen Fällen ist diesbezüglich eine klare Festlegung besonders wichtig, um einen etwaigen Erbstreit zu vermeiden. Durch den Wegfall der Ausgleichspflicht können sich die übrigen Erben ungleich behandelt fühlen. Schliesslich bedeutet dies, dass eine Person ein grösseres und wertvolleres Erbe erhält als die anderen.

Mögliche Probleme mit der Ausgleichspflicht

Die Ausgleichspflicht kann in einigen Fällen zu Problemen oder finanziellen Schwierigkeiten führen. Das kann vor allem dann passieren, wenn der Erbanteil geringer ist als der Erbvorbezug. In diesem Fall muss der Erbe die Differenz an die anderen Erbberechtigten ausbezahlen, um eine gleichmässige Verteilung des Erbes zu erreichen. Zur Berechnung wird der Wert beim Erbfall verwendet, nicht der Wert zum Zeitpunkt des Erbvorbezugs (Artikel 630 ZGB). Handelt es sich um eine finanzielle Zuwendung, dann wird der Nominalwert herangezogen. Zinsen oder inflationsbedingte Schwankungen werden nicht berücksichtigt. In diesem Fall weiss der Erbe also genau, was auf ihn zukommt.

Handelt es sich beim Erbvorbezug allerdings um eine Immobilie oder einen Sachwert, so wird deren aktueller Wert beim Erbfall gegengerechnet. Hat sich der Wert eines Hauses gesteigert, so kann es vorkommen, dass die Person mit dem Erbvorbezug mitunter eine hohe Summe nachzahlen muss. Der Erblasser kann dem entgegenwirken, indem er im Testament einen Fixpreis für das Haus, Grundstück oder die Sache festsetzt.

Beispielrechnung für den Ausgleich

Gehen wir von einer Person aus, die zwei Kinder – einen Sohn und eine Tochter – hat. Der Sohn des Erblassers erhält einen Erbvorbezug von 300‘000 CHF. Zum Zeitpunkt seines Todes hinterlässt der Erblasser ein Vermögen von 600‘000 CHF, das auf die zwei Nachkommen aufgeteilt werden soll. Um den Gesamtbetrag zu ermitteln, wird das Vermögen mit dem Erbvorbezug aufgerechnet:

300‘000 + 600‘000 = 900‘000 CHF.

Dieser Betrag wird nun durch die Anzahl der Erben geteilt:

900‘000 / 2 = 450‘000 CHF.

Die Tochter erhält demnach ihren vollen Anteil von 450‘000 CHF, während vom Erbanteil des Sohnes der Erbvorbezug abgezogen werden muss:

450‘000 – 300‘000 = 150‘000 CHF.

Wie funktioniert der Erbvorbezug?

Bei einem Erbvorbezug kann es sich um eine formlose Angelegenheit handeln. Rechtlich gesehen ist dafür keine schriftliche Form vorgesehen – solange es sich dabei um finanzielles Vermögen handelt. Besteht der Erbvorbezug in einer Liegenschaft, einem Haus, einer Wohnung oder einem Grundstück, so ist ein schriftlich aufgesetzter Vertrag Pflicht. Dieser muss von einem Notariat öffentlich beurkundet werden. Auch wenn in vielen Fällen eine mündliche Vereinbarung ausreichen würde, ist das schriftliche Festhalten ratsam. So schaffen Sie klare Verhältnisse und können Streitigkeiten vorbeugen.

Vorteile für Erben und Erblasserinnen

Ein Erbvorbezug kann sowohl für den Erben als auch für die Erblasserin Vorteile mit sich bringen. So können die Begünstigten bereits zu Lebzeiten ihrer Eltern von deren Vermögen profitieren. Viele Eltern unterstützen ihre Kinder gerne und nutzen deshalb diese Form der Schenkung. Die Nachkommen können sich so beispielsweise ein Eigenheim kaufen oder haben die Möglichkeit, ein eigenes Business zu starten, ohne einen Kredit mit hohen Zinsen aufnehmen zu müssen.

Im Erbfall verringert sich nach einem Erbvorbezug zwar der ausgezahlte Betrag, gleichzeitig aber auch die dafür zu zahlenden Steuern. Die Erbschaftssteuer richtet sich in der Regel nach der Höhe des geerbten Vermögens. Die Erbschafts- und Schenkungssteuersätze unterscheiden sich zwischen den einzelnen Kantonen. In vielen Fällen ist die Schenkungssteuer etwas geringer und geht mit höheren Freibeträgen einher. Erblasser können durch die Auszahlung eines Erbvorbezugs ihre Steuern senken. Meist handelt es sich bei einer solchen Zuwendung um Geld, das lediglich auf dem Bankkonto einer Person liegt und nicht verwendet wird. Geht dieses in den Besitz der Erbin über, so entfallen natürlich auch die Steuern, die der Erblasser bis zu dem Zeitpunkt für das Geld zu zahlen hatte. Dies ist somit eine gute Möglichkeit, die Steuerlast zu verringern.

Unterschied zur Schenkung

Eine Schenkung ist ebenso wie ein Erbvorbezug endgültig, muss aber schriftlich festgehalten werden (Artikel 243 OR). Typischerweise besteht bei einer Schenkung allerdings keine Ausgleichspflicht. Ein Erbvorbezug kann damit für klare und vor allem faire Verhältnisse sorgen. Wenn nicht anders ausgewiesen, bekommen alle Erben im Rahmen eines Erbvorbezugs die gleichen Anteile.

Eine weitere Form der Schenkung ist die gemischte Schenkung. Diese bietet sich vor allem an, wenn das Elternhaus an einen Nachkommen übertragen werden soll. Dabei wird ein Kaufpreis festgelegt, der sich in der Regel unter dem eigentlichen Wert der Immobilie befindet.

Steuerliches rund um den Erbvorbezug

Beim Erbvorbezug handelt es sich um eine besondere Form der Schenkung. Aus diesem Grund muss auch die Schenkungssteuer bezahlt werden. Diese ist meist gekoppelt mit der Erbschaftssteuer und findet sich in den Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzen (EschG), die kantonal geregelt sind. Im Regelfall übernimmt die beschenkte Person die Steuern. Dabei gilt das Gesetz des Kantons, in dem die Schenkung erfolgt. Wie hoch die Steuern ausfallen, kann vom Kanton, vom Betrag und vom Verwandtheitsgrad der beiden Parteien abhängen. In vielen Kantonen sind Ehegatten und direkte Nachkommen von den Steuern befreit, z. B. in Bern und in Aargau. In anderen Kantonen werden den Nachkommen Freibeträge gewährt, wie beispielsweise in Luzern. Hier entfallen die Steuern bis 100’000 CHF, für höhere Beträge werden 1 bis 2 % fällig.

Tipps für Erblassende

Bevor Sie sich für einen Erbvorbezug entscheiden, sollten Sie sich über dessen Endgültigkeit im Klaren sein. Einmal veranlasst, kann ein Erbvorbezug nicht zurückgefordert werden. Tun Sie dies deshalb nur, wenn Sie für sich selbst genügend Rücklagen gebildet haben. Benötigen Sie im Alter Unterstützung und möchten beispielsweise Ergänzungsleistungen beantragen, so zählt der übertragene Erbvorbezug als Vermögensverzicht. Dies schmälert Ihre Chancen auf unterstützende Leistungen und kann dazu führen, dass Sie Sozialhilfe beantragen müssen.

Wollen Sie Ihre Nachkommen unterstützen, bieten sich einige weitere Alternativen. Ein zinsloses Darlehen beispielsweise bietet den Vorteil, dass Sie dieses – wenn nötig – zurückfordern können. Dabei haben Sie sogar die Möglichkeit, das Darlehen zu einem späteren Zeitpunkt in eine Schenkung oder einen Erbvorbezug umzuwandeln. Dies muss schriftlich festgehalten und bei der nächsten Steuererklärung berücksichtigt werden.

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FAQ: Erbvorbezug

Ein Erbvorbezug ist eine bestimmte Form der Schenkung. Damit können Menschen ihren Nachkommen oder anderen gesetzlichen Erben bereits zu Lebzeiten Geld oder Sachwerte zukommen lassen. Der Vorgang ist endgültig, das Vermögen kann also nicht zurückgefordert werden.

Nein, die Auszahlung eines Erbvorbezugs erfolgt auf vollkommen freiwilliger Basis. Jede Person entscheidet selbst, ob und wie viel Geld sie verschenken möchte. So kann eine Tochter etwa von ihren Eltern nicht verlangen, ebenfalls eine Zuwendung zu bekommen, nur weil der Bruder diese erhalten hat.

Ein Erbvorbezug ist einer Schenkung sehr ähnlich. Im Gegensatz zur Schenkung verpflichtet diese Zuwendung die Erben allerdings zu einem Ausgleich.

Die Ausgleichspflicht regelt, dass im Rahmen eines Erbvorzugs Begünstigte dies im Erbfall wieder auszugleichen haben. Sie erhalten dann ein geringeres Erbe oder müssen sogar einen Ausgleich an die anderen Erben bezahlen. Das sorgt für faire Verhältnisse und eine gleichmässige Aufteilung des Erbes. Die Ausgleichspflicht kann auf Wunsch der Erblassenden aufgehoben werden.

Offiziell gibt es keine gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Form eines Erbvorbezugs. Grundsätzlich reicht deshalb eine mündliche Absprache aus. Allerdings ist es trotzdem empfehlenswert, das Vorhaben schriftlich festzuhalten. Lediglich bei Liegenschaften, Häusern, etc. ist die schriftliche Form inklusive notarieller Beurkundung vorgeschrieben.

Als Sonderform der Schenkung unterliegt der Erbvorbezug der Schenkungssteuer. Diese ist kantonal geregelt und kann sich deshalb je nach Standort unterscheiden. Nahe Verwandte (Kinder und Eltern) bezahlen in vielen Kantonen keine oder lediglich eine geringe Schenkungssteuer oder profitieren von Freibeträgen.

Der Erbvorbezug ist ein einfacher Weg, seine Nachkommen oder Verwandte finanziell zu unterstützen. Das Geld geht in den Besitz der Erben über, was für die Erblasser steuerliche Entlastungen bringen kann.

Wollen Sie die Endgültigkeit des Erbvorbezugs umgehen, so kann sich ein (zinsloses) Darlehen eignen. Dieses muss im Regelfall zurückgezahlt werden. Sie haben die Option, das Darlehen im Nachhinein zu einem Erbvorbezug oder einer Schenkung umwandeln zu lassen. Eine gemischte Schenkung bietet sich vor allem dann an, wenn das Familienhaus in den Besitz des Kindes übergehen soll. In diesem Fall wird die Immobilie unter ihrem Wert an den Erben verkauft.

Gesetzesartikel

Ausgleichspflicht (Artikel 626 ZGB)

Ausgleichungswert (Artikel 630 ZGB)

Schenkung (Artikel 243 OR)

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