Wissenswertes zum Erbe:
Wichtige Informationen und Rechtsgrundlagen

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Kalender Icon 01. Februar 2024

Das Erbe ist für viele ein unangenehmes Thema - schliesslich beschäftigen sich die wenigsten gerne mit dem Tod. Während die Grundlagen rund um das Erben im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB) gesetzlich geregelt sind, können Sie auch mit einem Testament oder einem Erbvertrag über Ihren Nachlass verfügen. In diesem Artikel gehen wir auf die wichtigsten Punkte ein, die es beim Erben in der Schweiz zu beachten gilt.

Auf einen Blick

  • Das Erbe ist das Vermögen, das eine verstorbene Person hinterlässt und das in den Besitz der Erbinnen und Erben übergeht.
  • Mit einem Testament oder einem Erbvertrag können Erblasserinnen und Erblasser selbst über ihr Erbe bestimmen.
  • Dabei sind jedoch gesetzliche Bestimmungen zu beachten, wie zum Beispiel die Pflichtteile.

Wie funktioniert das schweizerische Erbrecht?

Unter Erbschaft versteht man den Übergang von finanziellen oder sachlichen Vermögenswerten von einer verstorbenen Person (dem Erblasser oder der Erblasserin) auf einen Erben oder eine Erbin. Sind mehrere Personen erbberechtigt, entsteht automatisch eine sogenannte Erbengemeinschaft. Die gesetzlichen Bestimmungen zum Erbrecht finden sich im dritten Teil des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB).

Ein Erblasser kann weitgehend selbst bestimmen, welche Personen oder Organisationen wie viel vom hinterlassenen Vermögen erben sollen. Dabei muss er aber immer auch die gesetzlichen Bestimmungen beachten, die für nahe Verwandte, die gesetzlichen Erben, einen Pflichtteil vorsehen. In jedem Fall empfiehlt es sich, ein Testament oder einen Erbvertrag aufzusetzen.

Gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge?

Häufig wird in einem Testament oder Erbvertrag festgelegt, wer innerhalb einer Erbengemeinschaft wie viel erbt. Man spricht dann von gewillkürter Erbfolge. Liegt zum Zeitpunkt des Todes eines Erblassers jedoch keines der beiden Dokumente vor, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Diese ist jedoch bei der Errichtung des letzten Willens zu beachten, nämlich im Zusammenhang mit den Pflichtteilen.

Damit soll sichergestellt werden, dass nahe Angehörige ihren rechtmässigen Anteil am Nachlass erhalten. Eine gewillkürte Erbfolge kann der Erblasser also nur bis zu einem gewissen Grad selbst bestimmen. Völlig frei ist die Erbfolge, wenn keine direkten Verwandten vorhanden sind, die als gesetzliche Erbengemeinschaft in Frage kommen (Artikel 481 ZGB).

 

Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt wie viel?

Ist kein Testament oder Erbvertrag vorhanden, tritt die gesetzliche Erbfolge ein, wie sie im ZGB geregelt ist. Dabei werden verschiedene Gruppen von Erben berücksichtigt, die in die folgenden drei sogenannten Parentelen eingeteilt werden:

  • Nachkommen (Artikel 457 ZGB): Die Kinder des Erblassers sind die nächsten Erben. Mehrere Kinder teilen sich den Nachlass zu gleichen Teilen. Sind die Kinder bereits verstorben, so sind deren Nachkommen die nächsten Erben (also die Enkelkinder der Erblasserin).
  • Eltern (Artikel 458 ZGB): Sind keine Nachkommen vorhanden, so sind die Eltern des Erblassers Erben. Sie stehen somit an zweiter Stelle und erben je die Hälfte des Nachlasses. Sind die Eltern bereits verstorben, geht das Erbrecht auf deren Kinder über, also auf die Geschwister des Erblassers.
  • Grosseltern (Artikel 459 ZGB): Die Grosseltern kommen an dritter Stelle, wenn weder Verwandte der ersten noch der zweiten Parentel das Erbe beanspruchen können. Auch hier sind deren Nachkommen begünstigt, wenn die Grosseltern der Erblasserin bereits verstorben sind (also Onkel, Tanten, Cousinen der Erblasserin).

Ehegatten und eingetragene Partner werden im Erbrecht ebenfalls berücksichtigt (Artikel 462 ZGB). Sie erhalten die Hälfte des Nachlasses, wenn Nachkommen vorhanden sind. Sind Nachkommen vorhanden, erhalten sie drei Viertel der Erbschaft. Sind weder direkte Nachkommen noch Verwandte des elterlichen Stammes vorhanden, erben Ehegatten und Lebenspartner den gesamten Nachlass des Erblassers.

Sonderfall: Konkubinatspaare sind nicht als gesetzliche Erben vorgesehen. Das sind Paare, die zwar in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben, aber weder verheiratet noch als Lebenspartner eingetragen sind.

 

Was passiert, wenn es keine Erben gibt?

Verstirbt eine Person, ohne ihren Nachlass eindeutig geregelt zu haben, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Hat die verstorbene Person jedoch keine Verwandten, wird versucht, allfällige unbekannte Erben durch einen Erbenruf ausfindig zu machen (Artikel 555 ZGB). Dieser wird von der Gemeinde eingeleitet, in der die verstorbene Person ihren Wohnsitz hatte. Dies geschieht durch einen öffentlichen Aufruf, der den Betroffenen ein Jahr Zeit gibt, sich als gesetzliche Erben zu melden.

Meldet sich bis zum Ablauf der Frist kein Erbe, fällt die Erbschaft an den Wohnsitzkanton oder die zuständige Gemeinde (Artikel 466 ZGB).

Ist ein Testament zwingend?

Die Errichtung eines Testaments ist nicht zwingend, kann aber in vielen Situationen sinnvoll sein. Grundsätzlich kann jede urteilsfähige Person ab 18 Jahren ein Testament errichten. Dies ist auch ohne Beizug einer Anwältin oder eines Notars möglich, sofern die Formvorschriften eingehalten werden. Der Inhalt eines Testaments kann vom Erblasser jederzeit geändert werden. Für Ehegatten gibt es kein gemeinschaftliches Testament, daher sollte jede Person, die in einer Ehe oder Lebenspartnerschaft lebt, ein eigenes Testament aufsetzen.

Tipp: Ein Testament kann helfen, Erbstreitigkeiten zu vermeiden. Ausserdem können Sie sicher sein, dass Ihr Vermögen in die richtigen Hände gelangt. Vor allem für unverheiratete Paare ist es ratsam, ein Testament zu verfassen. Zu beachten ist, dass mit einem Testament zwar die Erbfolge, nicht aber die Pflichtteilsansprüche umgangen werden können. Diese können nur durch einen von allen Beteiligten unterzeichneten Erbvertrag ausgeschlossen werden.

 

Was sind Pflichtteile?

In den meisten Fällen kann der Erblasser nicht frei über seinen gesamten Nachlass verfügen. Sind Nachkommen, ein Ehegatte oder ein eingetragener Partner vorhanden, erhalten diese von Gesetzes wegen einen Pflichtteil. Dieser ist in Artikel 471 ZGB geregelt.

Der Pflichtteil berechnet sich prozentual nach der Höhe des Vermögens. Zudem hängt die Höhe davon ab, wie viele andere Pflichtteilsberechtigte zu berücksichtigen sind. Der Pflichtteil beträgt sowohl für Nachkommen als auch für den Ehegatten bzw. die eingetragene Partnerin oder den eingetragenen Partner die Hälfte.

Der Betrag, der nach Abzug des Pflichtteils vom Nachlass übrig bleibt, wird als freie Quote bezeichnet. Der Erblasser kann darüber frei verfügen.

 

Sonderfall: Verlust des Pflichtteils bei Scheidung oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft

Stirbt der Erblasser während eines hängigen Scheidungs- oder Auflösungsverfahrens, ohne dass bereits ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, so verliert der überlebende Ehegatte bzw. die überlebende eingetragene Partnerin oder der überlebende eingetragene Partner den Pflichtteilsanspruch nach Artikel 472 ZGB, sofern

  • das Verfahren auf gemeinsames Begehren eingeleitet oder fortgesetzt worden ist;
  • die Ehegatten oder die eingetragenen Partnerinnen oder Partner seit mindestens zwei Jahren getrennt leben.

 

Kann der Pflichtteilsanspruch umgangen werden?

Grundsätzlich ist der Pflichtteil im ZGB fest verankert und kann auch durch ein Testament nicht aufgehoben werden. Werden die gesetzlichen Erben im Testament nicht bezeichnet, kann die Auszahlung des Pflichtteils durch eine Herabsetzungsklage erreicht werden.

 

Sonderfall: Vorzeitige Enterbung

Es gibt jedoch einige Ausnahmefälle, in denen der Erblasser den Pflichtteil entziehen kann. Gemäss Artikel 477 ZGB sind dies folgende Fälle:

  • Regelung im Erbvertrag: Wird der Pflichtteil im Rahmen eines Erbvertrages ausgesetzt, handelt es sich um einen Erbverzicht. Ein solcher Vertrag muss sowohl vom Erblasser als auch von der betroffenen Erbin unterzeichnet werden.
  • Strafenterbung: Diese kann erfolgen, wenn der Erbe eine schwere Straftat gegen die Erblasserin oder eine ihr nahestehende Person begangen oder seine familiären Pflichten grob vernachlässigt hat.
  • Präventive Enterbung: Diese Form der Enterbung kann nur bei Nachkommen angewendet werden, die sich in einer schwierigen finanziellen Lage befinden (z.B. wegen Spielsucht oder hoher Verschuldung). Damit kann verhindert werden, dass der Nachlass an allfällige Gläubiger fällt.

Die Gründe für eine Enterbung müssen stichhaltig und nachvollziehbar sein und im Testament festgehalten werden. Gegebenenfalls können die betroffenen Erben eine solche Verfügung anfechten. So ist es beispielsweise nicht möglich, einen gesetzlichen Erben zu enterben, nur weil der Erblasserin sein Lebenswandel nicht gefällt. Am Ende steht immer eine individuelle Beurteilung der Situation, zum Beispiel durch einen Anwalt oder vor Gericht (Artikel 479 ZGB).

Wie können Erbangelegenheiten sonst geregelt werden?

Erblasserinnen und Erblasser haben die Möglichkeit, ihren Erbinnen und Erben bereits zu Lebzeiten Vermögen oder Sachwerte zukommen zu lassen. Beliebte Möglichkeiten sind Schenkungen oder Erbvorbezüge. Denkbar sind auch gemischte Schenkungen, bei denen die Erblasserin oder der Erblasser beispielsweise eine Liegenschaft weit unter dem Marktwert an die Erbinnen und Erben verkauft.

Tipp: Unabhängig davon, welche dieser Möglichkeiten Sie wählen, sollten Sie in jedem Fall die Ausgleichungspflicht gemäss Artikel 626 ZGB beachten. Bei Schenkungen, die nicht länger als fünf Jahre vor dem Tod des Erblassers vorgenommen wurden, kann eine Ausgleichung verlangt werden. Bei Erbvorbezügen ist die Ausgleichungspflicht von vornherein vorgesehen und auch bei gemischten Schenkungen muss der oder die Beschenkte die Differenz ausgleichen. Will der Erblasser nicht, dass der Beschenkte im Erbfall ausgleichen muss, kann er dies schriftlich verfügen. Allerdings sind auch in diesem Fall Pflichtteile und allfällige Verpflichtungen aus Erbverträgen zu beachten und einzuhalten. Eine anwaltliche Beratung ist empfehlenswert, um sicher zu gehen, dass Ihre Schenkungen rechtsgültig sind und keine Nachteile für die betroffenen Erbinnen und Erben darstellen.

 

Muss eine Erbschaft versteuert werden?

Eine Erbschaft ist in der Regel steuerpflichtig. Die Erbschaftssteuern sind kantonal geregelt und müssen von den Erbinnen und Erben bezahlt werden. In vielen Kantonen sind nahe Verwandte (vor allem direkte Nachkommen und oft auch der Ehegatte) von der Erbschaftssteuer befreit. Ob und in welcher Höhe eine Steuer anfällt, hängt von folgenden Faktoren ab:

  • Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser
  • Höhe der Erbschaft
  • Wohnort/Kanton
  • Höhe des Freibetrags

 

Kann ein Erbe ausgeschlagen werden?

Ausschlagung einer Erbschaft: Gemäss Artikel 566 ZGB haben sowohl gesetzliche als auch eingesetzte Erben die Möglichkeit, eine Erbschaft auszuschlagen. Dies ist vor allem dann sinnvoll, wenn die Erblasserin zahlungsunfähig war und vermutet wird, dass die Erbschaft Schulden mit sich bringt. Die Ausschlagung muss innerhalb von drei Monaten erfolgen, nachdem die Erbinnen erstmals vom Tod der Erblasserin erfahren haben (Artikel 567 ZGB). Die Ausschlagung kann schriftlich oder mündlich bei der zuständigen Behörde erfolgen (Artikel 570 ZGB).

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FAQ: Erbe

Die gesetzliche Erbfolge tritt ein, wenn durch den Erblasser keine Erbinnen eingesetzt wurden. Bei den gesetzlichen Erben handelt es sich um die direkten Nachkommen, die Eltern (bzw. Geschwister) und Grosseltern (bzw. Onkel/Tanten oder Cousins/Cousinen) der verstorbenen Person. Auch die hinterbliebenen Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner werden in der gesetzlichen Erbfolge bedacht.

Wie viel eine Person erbt, kommt immer darauf an, welche anderen Erben ebenfalls einen Erbanspruch haben. Ist ein verbliebener Ehegatte der alleinige Erbe, so steht ihm er die gesamte Hinterlassenschaft zu. Gibt es Nachkommen, so steht dem eingetragenen Lebenspartner oder Ehegatten die Hälfte der Erbschaft zu.

In einem Testament bestimmt eine Erblasserin oder ein Erblasser, wer die eingesetzten Erben sind und wie viel diese erhalten sollen. Dabei müssen die Pflichtteile beachtet werden, die per Gesetz an die nächsten Verwandten (Parentelen) gehen.

Mithilfe von Schenkungen und Erbvorbezügen können Erblasser auch zu Lebzeiten bereits Vermögen an Verwandte vermachen. Dabei sollten Sie auf die Ausgleichspflicht achten: In der Regel müssen solche Zuwendungen im Erbfall vom Begünstigten ausgeglichen werden.

Pauschal gibt es auf diese Frage keine konkrete Antwort, da die Erbschaftssteuer von unterschiedlichen Faktoren abhängt. Dazu gehören beispielsweise die Höhe der Erbschaft und der Verwandtschaftsgrad, zudem ist die Erbschaftssteuer kantonal geregelt. In den meisten Kantonen sind direkte Nachkommen und manchmal auch Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner von der Steuer befreit.

Hat ein Erblasser keine Verwandten, so kann er sein Vermögen an eine gemeinnützige Organisation oder an nicht-verwandte Personen vererben. Dies muss in einem Testament oder einem Erbvertrag festgelegt werden. Wurden keine Erben eingesetzt, so startet die zuständige Gemeinde einen Erbenruf und sucht nach bisher unbekannten Erbinnen und Erben.

Nein, ein Erbe kann auch ausgeschlagen werden. Dies muss innerhalb von drei Monaten nach Kenntnisnahme des Todesfalls geschehen.

Gesetzesartikel

Gesetzliche Erbfolge (Artikel 457 ff. ZGB)

Pflichtteil (Artikel 471 ZGB)

Bei unbekannten Erben (Artikel 555 ZGB)

Ausgleichspflicht (Artikel 626 ZGB)

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