Die Nutzniessung
im Erbrecht
Die Nutzniessung spielt im Erbrecht häufig eine wichtige Rolle, da sie dem Erblasser bzw. der Erblasserin die Möglichkeit gibt, einer Person das Recht auf die Nutzung eines Vermögenswerts zu erteilen, ohne ihr auch das Eigentum am Vermögenswert übertragen zu müssen. Lesen Sie im Folgenden, was genau die Nutzniessung ist und wie sie im Erbrecht umgesetzt werden kann.
Was genau ist eine Nutzniessung?
Bei einer Nutzniessung wird einer Person das Recht übertragen, einen Vermögenswert zu nutzen, ohne dabei das Eigentum an diesem zu haben. Laut Artikel 745 Zivilgesetzbuch (ZGB) kann eine solche Nutzniessung an beweglichen Sachen, Grundstücken (oder auch nur an Teilen davon), Rechten oder an einem Vermögen bestellt werden. Laut Artikel 755 ZGB hat der Nutzniesser bzw. die Nutzniesserin das Recht auf den Besitz, den Gebrauch und die Nutzung der Sache.
Beispiel: Nehmen wir an, der Vermögenswert, um den es geht, ist eine Wohnung. In diesem Fall hätte die Nutzniesserin das Recht, die Wohnung selbst zu benutzen, also darin zu wohnen, aber auch sie zu vermieten oder zu verpachten. In Artikel 756 ZGB ist zudem geregelt, dass die Begünstigte der Nutzniessung die Erträge, in diesem Fall zum Beispiel die Miete, erhält. Dem Eigentümer der Wohnung bleibt also nur das ‹nackte› Eigentum. Die Nutzniessung selbst ist weder übertragbar noch vererblich, jedoch kann gemäss Artikel 758 ZGB deren Ausübung übertragen werden, sofern es sich dabei nicht um ein höchst persönliches Recht handelt.
Tipp: Laut Artikel 746 ZGB ist bei Bestellung einer Nutzniessung bei beweglichen Sachen oder Forderungen die Übertragung auf den Begünstigten bzw. die Begünstigte notwendig. Das heisst, der Gegenstand muss übergeben werden. Bei Grundstücken ist es jedoch etwas komplizierter. Dort müssen Sie die Nutzniessung meist im Grundbuch eintragen lassen. Deshalb empfehlen wir Ihnen, sich vorab genau zu informieren, um alle rechtlichen Vorschriften zu erfüllen.
Wie funktioniert die Nutzniessung im Erbrecht?
Von der Nutzniessung wird häufig im Rahmen eines Nachlasses Gebrauch gemacht, indem diese erst nach dem Tod des Erblassers errichtet wird. Dies kann der Fall sein, wenn der Erblasser einer bestimmten Person das Recht einräumen will, die Erbschaft oder Teile davon im Rahmen der Nutzniessung zu nutzen. Der Grund für eine solche Nutzniessung ist häufig die Absicherung des hinterlassenen Partners bzw. der hinterlassenen Partnerin.
Beispiel: Gehen wir von einem Ehepaar mit mehreren gemeinsamen Nachkommen aus. Würde die Ehefrau versterben, würde das Erbe, zum Beispiel ein Haus, auf den Ehemann und die Nachkommen verteilt werden. In diesem Fall könnte es sein, dass einer der Erben auf die Auszahlung seines Erbteils beharrt. Das könnte in der Folge dazu führen, dass das Haus verlauft werden muss. Will die Ehefrau ihren Ehemann absichern und sicherstellen, dass dieser im gemeinsamen Haus wohnen kann, solange er will, kann sie eine Nutzniessung errichten. Das Eigentum am Haus würde im Falle ihres Todes zwar immer noch auf die jeweiligen Erben verteilt werden, der Ehemann hätte durch die Nutzniessung aber das Recht, das Haus weiterhin zu nutzen.
Wie wirkt sich die Nutzniessung auf das gesetzliche Erbe aus?
In der Schweiz ist das Erbrecht gesetzlich im Dritten Teil des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) geregelt. Generell wird dabei zwischen dem Pflichtteil und dem verfügbaren Teil unterschieden. Personen, die Nachkommen, Eltern und/oder einen Ehepartner oder einen eingetragenen Partner hinterlassen, haben einen gewissen Teil ihres Erbes – den Pflichtteil – an diese Personen zu entrichten. Über das restliche Vermögen – den verfügbaren Teil – kann frei verfügt werden, beispielsweise mittels eines Testaments. Hinterlässt die Erblasserin keine der oben aufgeführten Personen, kann sie gemäss Artikel 470 ZGB über das gesamte Vermögen frei verfügen.
Der Erblasser hat laut Artikel 473 das Recht, der überlebenden Partnerin durch ein Testament oder einen Erbvertrag die Nutzniessung am gesamten den Nachkommen zustehenden Pflichtteil des Erbes einzuräumen. Das bedeutet, dass die Nachkommen in diesem Fall zwar das Eigentum an ihrem Pflichtteil erhalten würden, aber die überlebende Partnerin die Erbschaft nutzen und verwalten darf. Diese Nutzniessung dauert so lange wie festgelegt oder bis zum Tod der Begünstigten.
Jedoch ist zu beachten, dass sich laut Artikel 473, Absatz 2 ZGB im Falle dieser Nutzniessung der verfügbare Teil des Erbes für die Begünstigte auf ein Viertel des Nachlasses verringert. Generell wird in Artikel 462, Absatz 1 ZGB geregelt, dass überlebende Partner oder Partnerinnen, wenn sie mit Nachkommen zu teilen haben, die Hälfte der Erbschaft erhalten. Im Fall einer solchen Nutzniessung tritt diese laut Artikel 473, Absatz 2 jedoch an die Stelle des der Partnerin zustehenden gesetzlichen Erbrechts. Durch eine Nutzniessung kann also beispielsweise erreicht werden, dass die Begünstigte über das gesamte Erbe verfügen kann (natürlich im rechtlichen Rahmen der Nutzniessung), gleichzeitig aber als Konsequenz einen geringeren Teil des Eigentums als Nachlass erhält.
Tipp: Falls Sie sich in keiner Ehe oder eingetragenen Partnerschaft befinden, Ihren Partner oder Ihre Partnerin aber dennoch begünstigen wollen, sollten Sie unbedingt ein Testament erstellen oder einen Erbvertrag abschliessen. Denn sogenannte Konkubinatspartner bzw. -partnerinnen geniessen nicht denselben rechtlichen Schutz und können keine ehegüterrechtlichen Ansprüche geltend machen. Im Todesfall würden diese also leer ausgehen, da sie nicht Teil der gesetzlichen Erbfolge sind. Die obigen Ausführungen über die gesetzliche Erbfolge beziehen sich demnach ausschliesslich auf die Ehe und die eingetragene Partnerschaft.
Wie kann eine Nutzniessung errichtet werden?
Eine Nutzniessung kann prinzipiell auf dieselbe Art und Weise errichtet werden, wie auch andere Belange in Bezug auf den Nachlass. Wenn Sie wollen, dass zum Zeitpunkt Ihres Todes eine Nutzniessung für eine bestimmte Person errichtet wird, können Sie dazu ein Testament verfassen oder einen Erbvertrag abschliessen.
Beim Testament haben Sie die Wahl zwischen einem eigenhändigen Testament und einem öffentlichen Testament. Ersteres können Sie laut Artikel 505 ZGB selbst handschriftlich verfassen. Jedoch sollten Sie dabei unbedingt darauf achten, dass Sie alle Formvorschriften und gesetzlichen Regelungen einhalten. Deshalb ist empfehlenswert ein Anwalt für Erbrecht zu beauftragen. Ein öffentliches Testament dagegen wird gemäss Artikel 499 ZGB im Beisein einer Urkundsperson und zweier Zeugen erstellt. Der Vorteil besteht darin, dass dadurch eine Überprüfung hinsichtlich der Konformität mit den gesetzlichen Vorgaben erfolgt und Sie sicher sein können, dass das Testament gültig ist. Jedoch ist es im Gegensatz zum eigenhändigen Testament nicht kostenlos. Entscheiden Sie sich dagegen dazu, die Nutzniessung im Rahmen eines Erbvertrags zu errichten, so müssen Sie diesen öffentlich beurkunden lassen, da er ansonsten angefochten werden kann.
Wie lange dauert eine Nutzniessung und worauf muss die begünstigte Person achten?
Generell erlischt die Nutzniessung laut Artikel 749 ZGB mit dem Tod des bzw. der Berechtigten. Für juristische Personen, also Unternehmen, ist sie auf ein Maximum von 100 Jahren beschränkt. Weitere Gründe für das Ende einer Nutzniessung sind laut Artikel 748 ZGB folgende:
- vollständiger Untergang› des Gegenstandes der Nutzniessung (bei einer Wohnung wäre dies etwa die Löschung des entsprechenden Grundbucheintrags)
- Wegfall des Grundes der Nutzniessung
- Ablauf des festgelegten Zeitraums für die Nutzniessung
- Verzicht des bzw. der Berechtigten
Der Nutzniesser bzw. die Nutzniesserin ist dazu verpflichtet, die jeweiligen Vermögenswerte sorgfältig zu behandeln. Das heisst, dass der Vermögenswert nicht aufgebraucht oder verkauft werden darf. Wie erwähnt darf der Begünstigte zwar die Erträge (zum Beispiel die Miete für ein Haus) behalten, muss aber gleichzeitig auch für die Kosten des Unterhalts und der Bewirtschaftung sowie für weitere Abgaben aufkommen.
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FAQs: Nutzniessung im Erbrecht
Unter einer Nutzniessung wird generell das Recht einer Person verstanden, einen Vermögenswert zu besitzen, zu nutzen und zu gebrauchen, an dem sie nicht das Eigentum hat. Bei diesem Vermögenswert kann es sich um eine bewegliche Sache, ein Grundstück (oder auch nur einen Teil davon), ein Recht oder ein Vermögen handeln.
Eine Nutzniessung im Erbrecht bedeutet, dass der bzw. die Begünstigte das Recht auf die Nutzniessung des gesamten oder eines Teiles des Erbes erhält, sobald der Erblasser verstirbt. Die Nutzniessung wird also erst mit dem Tod letzterer Person errichtet.
Die Gründe für die Errichtung einer Nutzniessung können unterschiedlich sein. Häufig wird diese jedoch erstellt, um den Partner abzusichern. Denn durch die Nutzniessung kann beispielsweise sichergestellt werden, dass dieser weiterhin im gemeinsamen Haus wohnen oder weiterhin das gemeinsame Auto benutzen kann, auch wenn er diese Vermögenswerte laut der gesetzlichen Erbfolge nicht oder nicht vollständig erbt.
Ja, wenn der Erblasser beispielsweise der Partnerin die Nutzniessung am gesamten Erbe zuwendet, dann verändert sich dadurch der gesetzliche Pflichtteil. Für die Partnerin ist dann nur noch ein Viertel des Nachlasses verfügbar.
Für natürliche Personen kann die Nutzniessung mit dem Tod oder dem Verzicht des Begünstigten enden. Andererseits kann sie auch mit dem vollständigen Untergang des Gegenstandes, dem Wegfall des Grundes oder dem Ablauf des festgelegten Zeitraums für die Nutzniessung erlöschen. Für juristische Personen endet die Nutzniessung auf jeden Fall nach maximal 100 Jahren.
Ja, eine Nutzniessung kann auch in einem eigenhändigen Testament errichtet werden. Dabei muss jedoch unbedingt darauf geachtet werden, dass die gesetzliche Erbfolge sowie alle Formvorgaben erfüllt werden. Wenn Sie sich diesbezüglich unsicher sind, ist ein öffentliches Testament empfehlenswerter, da dieses überprüft wird und Sie sich beraten lassen können.
Ja, neben dem Testament kann eine Nutzniessung auch in einem Erbvertrag festgehalten werden. Beachten Sie jedoch, dass dieser öffentlich beurkundet werden muss.