Die Nutzniessung im Erbrecht

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Kalender Icon 01. Februar 2024

Die Nutzniessung spielt im Erbrecht oft eine wichtige Rolle, da sie dem Erblasser oder der Erblasserin die Möglichkeit gibt, einer Person ein Nutzungsrecht an einem Vermögenswert einzuräumen, ohne ihr das Eigentum daran übertragen zu müssen. Lesen Sie im Folgenden, was genau die Nutzniessung ist und wie sie im Erbrecht umgesetzt werden kann.

Auf einen Blick

  • Unter Nutzniessung versteht man ganz allgemein das Recht einer Person, einen Vermögenswert zu nutzen, ohne Eigentümerin desselben zu sein.
  • Im Erbrecht wird die Nutzniessung nach dem Tod einer Person errichtet, um einer anderen Person die Nutzung des Nachlasses (oder eines Teils davon) zu ermöglichen.

Was ist eine Nutzniessung?

Bei der Nutzniessung wird einer Person das Recht eingeräumt, einen Vermögenswert zu nutzen, ohne dass ihr das Eigentum daran zusteht. Gemäss Artikel 745 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) kann eine Nutzniessung an beweglichen Sachen, Grundstücken (oder auch nur Teilen davon), Rechten oder einem Vermögen bestellt werden. Nach Artikel 755 ZGB hat der Nutzniesser oder die Nutzniesserin das Recht, die Sache zu besitzen, zu gebrauchen und zu nutzen.

Beispiel: Angenommen, es handelt sich bei der Sache um eine Wohnung. In diesem Fall hätte die Nutzniesserin das Recht, die Wohnung selbst zu nutzen, d.h. darin zu wohnen, sie aber auch zu vermieten oder zu verpachten. Artikel 756 ZGB sieht zudem vor, dass die Nutzniesserin die Erträge, in diesem Fall beispielsweise die Miete, erhält. Dem Eigentümer der Wohnung verbleibt somit nur das ‹nackte› Eigentum. Die Nutzniessung selbst ist weder übertragbar noch vererblich, die Ausübung kann jedoch gemäss Artikel 758 ZGB übertragen werden, sofern es sich nicht um ein höchstpersönliches Recht handelt.

Tipp: Gemäss Artikel 746 ZGB ist bei der Begründung einer Nutzniessung an beweglichen Sachen oder Forderungen die Übertragung an die begünstigte Person erforderlich. Das heisst, die Sache muss übergeben werden. Bei Grundstücken ist es etwas komplizierter. Hier müssen Sie die Nutzniessung in der Regel im Grundbuch eintragen lassen. Wir empfehlen Ihnen deshalb, sich vorgängig genau zu informieren, damit Sie alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllen.

Wie funktioniert die Nutzniessung im Erbrecht?

Die Nutzniessung wird häufig im Zusammenhang mit einer Erbschaft eingesetzt, indem sie erst nach dem Tod des Erblassers begründet wird. Dies kann der Fall sein, wenn der Erblasser einer bestimmten Person das Recht einräumen will, den Nachlass oder Teile davon im Rahmen der Nutzniessung zu nutzen. Grund für eine solche Nutzniessung ist häufig die Absicherung des überlebenden Partners oder der überlebenden Partnerin.

Beispiel: Nehmen wir ein Ehepaar mit mehreren gemeinsamen Nachkommen. Im Falle des Todes der Ehefrau würde das Erbe, z.B. ein Haus, zwischen dem Ehemann und den Nachkommen aufgeteilt. In diesem Fall könnte einer der Erben auf der Auszahlung seines Erbteils bestehen. Dies kann dazu führen, dass das Haus verkauft werden muss. Möchte die Ehefrau ihren Ehemann absichern und sicherstellen, dass er so lange im gemeinsamen Haus wohnen kann, wie er möchte, kann sie eine Nutzniessung bestellen. Im Falle ihres Todes würde das Eigentum am Haus zwar an die jeweiligen Erben übergehen, der Ehemann hätte aber durch die Nutzniessung das Recht, das Haus weiterhin zu nutzen.

Wie wirkt sich die Nutzniessung auf das gesetzliche Erbe aus?

In der Schweiz ist das Erbrecht gesetzlich im Dritten Teil des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) geregelt. Generell wird dabei zwischen dem Pflichtteil und dem verfügbaren Teil unterschieden. Personen, die Nachkommen und/oder einen Ehepartner bzw. einen eingetragenen Partner hinterlassen, haben einen gewissen Teil ihres Erbes – den Pflichtteil – an diese Personen zu entrichten. Über das restliche Vermögen – den verfügbaren Teil – kann frei verfügt werden, beispielsweise mittels eines Testaments. Hinterlässt die Erblasserin keine der oben aufgeführten Personen, kann sie gemäss Artikel 470 ZGB über das gesamte Vermögen frei verfügen.

Der Erblasser hat gemäss Artikel 473 die Möglichkeit, der überlebenden Partnerin durch ein Testament oder einen Erbvertrag die Nutzniessung am gesamten den Nachkommen zustehenden Pflichtteil des Erbes einzuräumen. Dieser Pflichtteil beträgt 50% des Nachlasses. Die verbleibenden 50% des Erbes steht frei zur Verfügung und kann dem überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Partner als Eigentum übertragen werden. Wird eine Nutzniessung gewährt, ersetzt diese die gesetzliche Erbfolge.

Kurz gesagt: Der Erblasser kann dem überlebenden Partner die Hälfte des Nachlasses zur Nutzniessung überlassen und die andere Hälfte als Eigentum hinterlassen.

Im Falle einer Wiederverheiratung oder der Begründung einer neuen eingetragenen Partnerschaft durch den überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Partner entfällt automatisch seine Nutzniessung auf dem Pflichtteil der Kinder, welche dadurch unbelastet zu vollem Eigentum gelangen.

Tipp: Falls Sie sich in keiner Ehe oder eingetragenen Partnerschaft befinden, Ihren Partner oder Ihre Partnerin aber dennoch begünstigen wollen, sollten Sie unbedingt ein Testament erstellen oder einen Erbvertrag abschliessen. Denn sogenannte Konkubinatspartner bzw. -partnerinnen geniessen nicht denselben rechtlichen Schutz und können keine ehegüterrechtlichen Ansprüche geltend machen. Im Todesfall würden diese also leer ausgehen, da sie nicht Teil der gesetzlichen Erbfolge sind. Die obigen Ausführungen über die gesetzliche Erbfolge beziehen sich demnach ausschliesslich auf die Ehe und die eingetragene Partnerschaft.

Wie kann eine Nutzniessung errichtet werden?

Eine Nutzniessung kann grundsätzlich auf die gleiche Weise errichtet werden wie andere erbrechtliche Belange in Bezug auf den Nachlass. Wenn Sie möchten, dass bei Ihrem Tod eine Nutzniessung zugunsten einer bestimmten Person errichtet wird, können Sie ein Testament errichten oder einen Erbvertrag abschliessen.

Bei einem Testament haben Sie die Wahl zwischen einem eigenhändigen und einem öffentlichen Testament. Ein eigenhändiges Testament können Sie nach Artikel 505 ZGB selbst handschriftlich verfassen. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass alle Formvorschriften und gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden. Es empfiehlt sich deshalb, einen auf Erbrecht spezialisierten Anwalt beizuziehen. Ein öffentliches Testament hingegen wird gemäss Artikel 499 ZGB in Anwesenheit einer Urkundsperson und zweier Zeugen errichtet. Dies hat den Vorteil, dass die Übereinstimmung mit dem Gesetz überprüft werden kann und Sie die Gewissheit haben, dass das Testament gültig ist. Im Gegensatz zum eigenhändigen Testament ist es jedoch kostenpflichtig. Entscheiden Sie sich hingegen dafür, die Nutzniessung im Rahmen eines Erbvertrages zu errichten, müssen Sie diesen öffentlich beurkunden lassen, sonst kann er angefochten werden.

Wie lange dauert die Nutzniessung und was muss die begünstigte Person beachten?

Grundsätzlich erlischt die Nutzniessung gemäss Artikel 749 ZGB mit dem Tod des oder der Berechtigten. Sie erlischt auch bei Wiederverheiratung oder Begründung einer neuen eingetragenen Partnerschaft. Bei juristischen Personen, also Gesellschaften, ist sie auf maximal 100 Jahre beschränkt. Weitere Gründe für das Erlöschen der Nutzniessung sind gemäss Artikel 748 ZGB:

  • Vollständiger Untergang des Nutzniessungsobjekts (bei einer Wohnung wäre dies beispielsweise die Löschung des entsprechenden Grundbucheintrags)
  • Wegfall des Grundes für die Nutzniessung
  • Ablauf der für die Nutzniessung bestimmten Zeit
  • Verzicht des oder der Berechtigten

Der Nutzniesser bzw. die Nutzniesserin ist verpflichtet, den betreffenden Vermögenswert sorgfältig zu behandeln. Dies bedeutet, dass der Vermögenswert nicht verbraucht oder veräussert werden darf. Wie bereits erwähnt, darf der Nutzniesser bzw. die Nutzniesserin zwar die Erträge (z.B. Mieteinnahmen aus einem Haus) behalten, muss aber gleichzeitig für die Kosten des Unterhalts und der Bewirtschaftung sowie für weitere Abgaben aufkommen.

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FAQs: Nutzniessung im Erbrecht

Unter einer Nutzniessung wird generell das Recht einer Person verstanden, einen Vermögenswert zu besitzen, zu nutzen und zu gebrauchen, an dem sie nicht das Eigentum hat. Bei diesem Vermögenswert kann es sich um eine bewegliche Sache, ein Grundstück (oder auch nur einen Teil davon), ein Recht oder ein Vermögen handeln.

 

Eine Nutzniessung im Erbrecht bedeutet, dass der bzw. die Begünstigte das Recht auf die Nutzniessung des gesamten oder eines Teiles des Erbes erhält, sobald der Erblasser verstirbt. Die Nutzniessung wird also erst mit dem Tod letzterer Person errichtet.

 

Die Gründe für die Errichtung einer Nutzniessung können unterschiedlich sein. Häufig wird diese jedoch erstellt, um den Partner abzusichern. Denn durch die Nutzniessung kann beispielsweise sichergestellt werden, dass dieser weiterhin im gemeinsamen Haus wohnen oder weiterhin das gemeinsame Auto benutzen kann, auch wenn er diese Vermögenswerte laut der gesetzlichen Erbfolge nicht oder nicht vollständig erbt.

 

Ja, wenn der Erblasser beispielsweise der Partnerin die Nutzniessung am gesamten Erbe zuwendet, dann verändert sich dadurch der gesetzliche Pflichtteil. Für die Partnerin ist dann nur noch ein Viertel des Nachlasses verfügbar.

Für natürliche Personen kann die Nutzniessung mit dem Tod oder dem Verzicht des Begünstigten enden. Andererseits kann sie auch mit dem vollständigen Untergang des Gegenstandes, dem Wegfall des Grundes oder dem Ablauf des festgelegten Zeitraums für die Nutzniessung erlöschen. Für juristische Personen endet die Nutzniessung auf jeden Fall nach maximal 100 Jahren.

 

Ja, eine Nutzniessung kann auch in einem eigenhändigen Testament errichtet werden. Dabei muss jedoch unbedingt darauf geachtet werden, dass die gesetzliche Erbfolge sowie alle Formvorgaben erfüllt werden. Wenn Sie sich diesbezüglich unsicher sind, ist ein öffentliches Testament empfehlenswerter, da dieses überprüft wird und Sie sich beraten lassen können.

 

Ja, neben dem Testament kann eine Nutzniessung auch in einem Erbvertrag festgehalten werden. Beachten Sie jedoch, dass dieser öffentlich beurkundet werden muss.

Gesetzesartikel

Nutzniessung (Artikel 745 ZGB)

Entstehung der Nutzniessung (Artikel 746 ZGB)

Untergang der Nutzniessung (Artikel 748 ZGB)

Begünstigung des Ehegatten (Artikel 473 ZGB)

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