Die Erbfolge im Testament in der Schweiz:
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Kalender Icon 01. Februar 2024

Die gesetzliche Erbfolge unterliegt in der Schweiz ganz bestimmten Regeln, im Gegensatz zur testamentarischen Erbfolge, die vom Erblasser frei bestimmt werden kann. Dieser Willensfreiheit sind jedoch Grenzen gesetzt, insbesondere durch den Pflichtteil der gesetzlichen Erben. In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie die Regeln der gesetzlichen Erbfolge testamentarisch ändern können, welche Einschränkungen gelten und wann die gesetzliche Erbfolge relevant ist.

Auf einen Blick

  • Die testamentarische Erbfolge wird in der Schweiz auch als gewillkürte Erbfolge bezeichnet.
  • Grundsätzlich kann der Erblasser in einem Testament frei bestimmen, wer erben soll.
  • Die Testierfreiheit wird durch den Pflichtteil der gesetzlichen Erben eingeschränkt.

Gesetzliche und Erbfolge im Testament: Wo liegen die Unterschiede?

In der Schweiz gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten, den Nachlass zu regeln: die gesetzliche Erbfolge und die testamentarische Erbfolge (auch gewillkürte Erbfolge genannt). Damit eine Erbfolge "legal" ist, muss sie den Regeln folgen, die das schweizerische Erbrecht für alle vorsieht. Alle gesetzlichen Bestimmungen zum Erbrecht finden sich im dritten Teil des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) ab Artikel 457.

Die gesetzliche Erbfolge ist dabei ein System, das den Nachlass auf die gesetzlichen Erben eines Erblassers verteilt, die nach den Artikeln 457 bis 462 ZGB in verschiedene Ränge (Parentelen) eingeteilt werden. Sind mehrere gesetzliche Erben vorhanden, entsteht automatisch eine sogenannte Erbengemeinschaft. Die Aufteilung des Nachlasses erfolgt dann aufgrund einer Erbquotenberechnung, die sich nach der Anzahl der Mitglieder der Erbengemeinschaft richtet.

Wird hingegen ein Testament errichtet, gelten die Regeln der gesetzlichen Erbfolge nicht und das Erbe kann nach den Wünschen der Erblasserin oder des Erblassers verteilt werden. Auch hier muss jedoch der so genannte Pflichtteil der gesetzlichen Erben beachtet werden. Darüber hinaus gibt es keine weiteren Beschränkungen und die Erblasserin oder der Erblasser kann den verbleibenden Nachlass, die sogenannte freie Quote, jedermann vermachen, sei es einer juristischen Person, einem Verein oder einer gemeinnützigen Organisation (Artikel 470 und 471 ZGB).

 

Wann tritt die testamentarische Erbfolge ein? 

Wie die gesetzliche Erbfolge tritt auch die testamentarische Erbfolge mit der Eröffnung des Testaments ein, d.h. nach dem Tod des Erblassers. Nur im Falle eines Erbvertrages können die Erbschaftsregeln bereits vor dem Tod angewendet werden.

 

Welche Testamentsformen gibt es?  

Es gibt mehrere Möglichkeiten, seinen letzten Willen in Bezug auf sein Erbe in einem Testament festzuhalten. Die gebräuchlichste Form ist das eigenhändige Testament gemäss Artikel 505 ZGB. Es muss klar als "Testament" bezeichnet sein, die Personalien des Erblassers enthalten, datiert und unterschrieben sein, um gültig zu sein. Es kann in der Wohnung des Erblassers aufbewahrt oder bei einer Urkundsperson oder einem Notar hinterlegt werden.

Wird das Testament von einer Urkundsperson oder einem Notar errichtet, spricht man von einem öffentlichen Testament. Der Notar nimmt die Verfügungen des Erblassers auf, die Urkunde wird in Anwesenheit von zwei Zeugen unterzeichnet und anschliessend von der Urkundsperson aufbewahrt (Artikel 499 bis 504 ZGB). Schliesslich ist es auch möglich, ein mündliches Testament zu hinterlassen, allerdings nur, wenn aussergewöhnliche Umstände die Errichtung eines öffentlichen oder eigenhändigen Testaments verhindern (Artikel 506 ZGB). Diese Art von Testament wird deshalb auch „Nottestament“ genannt. Es kann beispielsweise errichtet werden, wenn sich der Erblasser in unmittelbarer Lebensgefahr befindet. Das mündliche Testament muss zwei Zeugen übergeben werden, die es so schnell wie möglich niederschreiben und der Gerichtsbehörde vorlegen müssen (Artikel 507 ZGB).

Welche Grenzen hat die testamentarische Erbfolge?

Auch wenn die testamentarische Erbfolge Ihnen die Möglichkeit gibt, Ihren Nachlass an Personen Ihrer Wahl zu verteilen, sieht das schweizerische Erbrecht für die gesetzlichen Erbinnen und Erben einen Pflichtteil vor, der durch ein Testament nicht umgangen werden kann. Auch wenn sie nicht im Testament aufgeführt sind, haben die Erbinnen und Erben Anspruch auf einen Teil des Nachlasses, den sogenannten Pflichtteil. Dieser Pflichtteil ist eine Garantie für die Nachkommen und den Ehegatten oder die eingetragene Partnerin oder den eingetragenen Partner der verstorbenen Person.

Der Pflichtteil ist den Angehörigen der verstorbenen Person vorbehalten, die als deren gesetzliche Erben gelten. Die Nachkommen, der Ehegatte, die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner des Erblassers haben grundsätzlich Anspruch auf den Pflichtteil, unabhängig von den Bestimmungen im Testament (Artikel 471 ZGB). Die Aufteilung des Nachlasses erfolgt in einer bestimmten Reihenfolge unter den verschiedenen Familienmitgliedern, je nach deren Verwandtschaft.

Ehegatten und eingetragene Partnerinnen oder Partner stehen ausserhalb des Parentelsystems, haben aber gemäss Artikel 462 ZGB ebenfalls einen gesetzlichen Erbanspruch. Dieser hängt davon ab, mit welchem Parentel das Erbe geteilt wird. Teilen sie die Erbschaft mit Nachkommen, so haben sie Anspruch auf 50 %. Teilen sie mit dem elterlichen Stamm, so erhalten sie 75 %. Sind weder Abkömmlinge noch Erben im elterlichen Stamm vorhanden, so erhalten sie die gesamte Erbschaft.

Die Nachkommen, d.h. die Kinder oder Enkelkinder des Erblassers, haben einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 50 % des gesetzlichen Erbteils.

 

Was ist die freie Quote?  

Der Teil des Nachlasses, über den der Erblasser frei verfügen kann, wird als freie Quote oder auch verfügbare Quote bezeichnet. Die freie Quote ergibt sich aus einer einfachen Rechnung: Das verfügbare Vermögen abzüglich der Pflichtteile der gesetzlichen Erbinnen und Erben (Artikel 470 ZGB). Sind keine gesetzlichen Erben vorhanden, kann der Erblasser oder die Erblasserin über den gesamten Nachlass frei verfügen.

Im Todesfall wird die freie Quote nach den Bestimmungen des Testaments frei vererbt. Die Höhe der freien Quote ist unterschiedlich und hängt in erster Linie von der Grösse der Erbengemeinschaft und der Höhe der Pflichtteile ab. Je grösser die Anzahl der Erben und je höher der Pflichtteil, desto kleiner ist die freie Quote. Zudem werden gemäss Artikel 474 ZGB allfällige Schulden des Erblassers sowie die Beerdigungskosten von der Erbschaft abgezogen.

Tipp: Um spätere Erbstreitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, sich bereits zu Lebzeiten eingehend mit der Regelung des eigenen Nachlasses zu befassen. Auf Erbrecht spezialisierte Anwältinnen und Anwälte können Ihnen helfen, die richtigen Pflichtteile und die freie Quote für Ihr Vermögen zu berechnen und gemeinsam mit Ihnen ein rechtsgültiges und eindeutiges Testament zu errichten.

Ist es möglich, einen gesetzlichen Erben im Testament zu enterben? 

Mit einem Testament kann man nicht nur sein eigenes Vermögen vererben, sondern auch Personen, die Anspruch auf den gesetzlichen Pflichtteil haben, bis zu einem gewissen Grad enterben. Es ist nämlich möglich, bestimmte Personen unter strengen Voraussetzungen testamentarisch von der Erbfolge auszuschliessen. Ein gesetzlicher Erbe kann nur enterbt werden, wenn er erbunwürdig ist (Artikel 477 ZGB). Für die Erbunwürdigkeit muss ein gesetzlicher Grund vorliegen: Es muss sich um eine Straftat handeln, die gegen den Erblasser oder eine ihm nahestehende Person begangen wurde.

Es ist auch möglich, dass eine gesetzliche Erbin kein Erbe erhält, wenn sie von sich aus auf ihren Erbteil verzichtet. Dazu muss zu Lebzeiten des Erblassers ein Erbvertrag zwischen dem Erblasser und der Erbin abgeschlossen werden (Artikel 495 ZGB). Damit erklärt sich die Erbin formell bereit, auf ihr Erbe zu verzichten. Der Pflichtteilsverzicht führt in der Regel zu einer finanziellen Abfindung.

Wie hoch sind die Erbschaftssteuern?

Wer eine Erbschaft oder eine Schenkung erhält, muss darauf in der Regel Erbschaftssteuer zahlen. Die Höhe dieser Steuer hängt von mehreren Faktoren ab, z.B. vom Verwandtschaftsverhältnis zwischen Erblasser und Erben und von der Höhe der Erbschaft. Nur Ehegatten und eingetragene Lebenspartner sind von der Erbschafts- und Schenkungssteuer befreit. Die direkten Nachkommen des Erblassers werden in vielen Kantonen nicht oder zu einem reduzierten Satz besteuert. Die Erbschaftssteuer ist wie die Schenkungssteuer im Wohnsitzkanton des Erblassers zu entrichten.

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FAQ: Erbfolge im Testament

In der Schweiz gibt es drei Gruppen von Personen, die einen Anspruch auf einen Pflichtteil haben. In erster Linie die direkten Nachkommen (Kinder), dann der Ehegatte oder der eingetragene Partner. Ausserdem haben die Eltern der verstorbenen Person einen Pflichtteilanspruch.

Bei der gewillkürten Erbfolge handelt es sich um eine Erbfolge im Testament, d. h. der Erblasser entscheidet selbst, wie er den Nachlass auf die Erbinnen und Erben seiner Wahl verteilt. In diesem Fall gelten die Regeln der gesetzlichen Erbfolge nicht, mit Ausnahme des Pflichtteils der gesetzlichen Erben.

Die gesetzliche Erbfolge tritt ein, wenn der Erblasser stirbt, ohne ein Testament oder einen Erbvertrag verfasst zu haben. In diesem Fall ist im schweizerischen Erbrecht klar definiert, wer in welchem Umfang erbberechtigt ist.

 

Das hängt davon ab, ob die Geschwister der verstorbenen Person im Testament erwähnt werden oder nicht. Nennt der Erblasser beispielsweise nur seine Schwester und nicht seinen Bruder, erbt nur die Schwester. Der Bruder hat dann keinen Anspruch auf einen Anteil am Erbe und wird stillschweigend ausgeschlossen. Er kann auch nicht auf ein Pflichtteilsrecht hinweisen.

Grundsätzlich kann ein Kind nicht vom Erbe ausgeschlossen werden, auch wenn es nicht im Testament erwähnt ist, da es einen Pflichtteilanspruch hat. Nur ein Nachkomme, der als erbunwürdig angesehen wird, kann vom Erbe ausgeschlossen werden. Hierfür muss jedoch ein rechtlicher Grund vorliegen, warum dieser als erbunwürdig angesehen wird. Ein Kind kann auch in einem Erbvertrag freiwillig auf seinen Pflichtteil verzichten.

Ein Testament kann handschriftlich oder per Computer verfasst werden. Es gibt keine formalen Anforderungen, jedoch muss das Dokument den Titel "Testament" tragen, datiert und unterzeichnet sein und die Identität des Erblassers nennen. Ein Testament muss nicht zwingend von einem Notar aufgesetzt werden und kann in bestimmten Ausnahmefällen auch mündlich verfasst werden.

Der Pflichtteil ist der Teil des Erbes, der an die gesetzlichen Erben ausgezahlt werden muss. Dieser Pflichtteil kann auch nicht durch ein Testament umgangen werden. Es gibt drei Ränge von gesetzlichen Erben, die Anspruch auf den jeweiligen Pflichtteil haben.

Hinterlässt ein Erblasser einen Ehegatten und Kinder, so erhalten diese unabhängig von den testamentarischen Bestimmungen einen Pflichtteil am Nachlass. In diesem Fall wird das Erbe zu 50 % zwischen den Ehegatten und zu gleichen Teilen unter den Kindern aufgeteilt.

 

Gesetzesartikel

Gesetzlicher Pflichtteil (Artikel 471)

Verfügbarer Teil (Artikel 470)

Enterbung (Artikel 477)

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