Gesetzliche Erbfolge in der Schweiz:
Wie viel erbt man?
Stirbt eine Person, ohne zuvor ein Testament oder einen Erbvertrag abgeschlossen zu haben, gelten die Regeln der gesetzlichen Erbfolge nach Schweizer Recht. In diesem Artikel erfahren Sie, wie die gesetzliche Erbfolge in der Schweiz aussieht, wie hoch die gesetzlichen Erbquoten der verschiedenen Verwandten sind und wie Sie herausfinden, was den Erben zusteht.
Was ist die gesetzliche Erbfolge?
Die gesetzliche Erbfolge in der Schweiz beruht auf dem Parentelen-System, das die Verteilung des Vermögens nach dem Tod des Erblassers unter den gesetzlichen Erben regelt. Bei mehreren gesetzlichen Erben erfolgt die Aufteilung des Nachlasses nach einer bestimmten Erbquote. Diese Quote hängt von der Zusammensetzung der Erbengemeinschaft und ihrem Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser ab.
Es gibt drei sogenannte Parentelen, d.h. Ränge von Verwandten und Familienangehörigen des Erblassers, die gesetzlich erbberechtigt sind. An erster Stelle stehen die direkten Nachkommen des Erblassers. Im zweiten Verwandtschaftsgrad folgen die Eltern des Erblassers und deren Nachkommen und im dritten Verwandtschaftsgrad die Grosseltern und deren weitere Nachkommen.
Ehegatten und eingetragene Partner stehen ausserhalb des Parentelsystems, haben aber gemäss Artikel 462 ZGB ebenfalls einen gesetzlichen Erbanspruch. Dieser hängt davon ab, mit welchem Parentel zu teilen ist. Teilen sie mit den Nachkommen, so erhalten sie die Hälfte; teilen sie mit den Erben des elterlichen Stammes, so erhalten sie drei Viertel. Sind weder im ersten noch im zweiten Stamm Erben vorhanden, so erben sie die ganze Erbschaft.
Wann tritt die gesetzliche Erbfolge ein?
Im Gegensatz zur gewillkürten Erbfolge durch Erbvertrag tritt die gesetzliche Erbfolge erst mit dem Tod des Erblassers oder der Erblasserin ein. Ausserdem gelten die Regeln der gesetzlichen Erbfolge nur dann, wenn der Erblasser oder die Erblasserin zu Lebzeiten keine andere Regelung in Form eines Testaments oder Erbvertrags getroffen hat.
Wer erbt und in welcher Reihenfolge?
Die Erbfolge richtet sich nach einer im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB) festgelegten Reihenfolge zwischen den verschiedenen Familienmitgliedern und Verwandten des Erblassers sowie nach deren Verwandtschaftsgrad. Um den gesetzlichen Erbteil einer Person zu bestimmen, muss daher zunächst festgestellt werden, welcher Parentel sie angehört.
Die Erben des ersten Parentels
In der gesetzlichen Erbfolge stehen nach Artikel 457 Absatz 1 ZGB die direkten Nachkommen des Erblassers an erster Stelle. Zu dieser Parentel gehören die Kinder, die Enkel und die Urenkel. Adoptivkinder sind ebenfalls erbberechtigt, während Stiefkinder in der Regel von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sind.
Darüber hinaus gelten folgende Grundsätze für die Verteilung des Erbes innerhalb der Verwandtschaft:
- Der Grundsatz "Alt vor Jung" begünstigt die Erben entsprechend ihrem fortgeschrittenen Alter.
- Das Erbe wird unter den Kindern zu gleichen Teilen aufgeteilt.
- Stirbt ein Kind, so erben seine Abkömmlinge seinen Anteil zu gleichen Teilen.
- Stirbt das Kind vor dem Erblasser und hat es keine eigenen Abkömmlinge, so erben seine Geschwister seinen Anteil zu gleichen Teilen;
- Sind im ersten Verwandtschaftsgrad keine Erben vorhanden, so erben die Verwandten des zweiten Verwandtschaftsgrades.
Erbfolge für Ehegatten und eingetragene Partner
Ehegatten und eingetragene Partner stehen ausserhalb des Parentelsystems, haben aber gemäss Artikel 462 ZGB ebenfalls einen gesetzlichen Erbanspruch. Dieser hängt davon ab, mit welchem Parentel zu teilen ist. Teilen sie mit den Nachkommen, so erhalten sie die Hälfte; teilen sie mit den Erben des elterlichen Stammes, so erhalten sie drei Viertel. Sind weder im ersten noch im zweiten Stamm Erben vorhanden, so erben sie die ganze Erbschaft.
Nach dem Tod ihres Ehemanns hat die Ehefrau einen gesetzlichen Erbanspruch. Das Paar hat keine weiteren Verwandten ausser ihren gemeinsamen Kindern. Da die Ehefrau mit den Nachkommen teilt, erhält sie gemäss den gesetzlichen Bestimmungen die Hälfte der Erbschaft. Die andere Hälfte wird gleichermassen zwischen ihren Kindern aufgeteilt.
Die Erben des zweiten Parentels
Zu der zweiten Parentel gehören die Eltern des Erblassers und deren Nachkommen, d.h. die Geschwister sowie die Nichten und Neffen des Erblassers. Innerhalb dieses Parentels gelten nach Artikel 458 ZGB die folgenden Erblinien:
- Die Eltern des Erblassers erben den gesamten Nachlass zu gleichen Teilen.
- Lebt nur noch ein Elternteil, so erbt dieser die Hälfte des Nachlasses, die andere Hälfte wird unter den Nachkommen des verstorbenen Elternteils aufgeteilt. Hat dieser keine Nachkommen, erbt der überlebende Elternteil den gesamten Nachlass.
- Sind keine Mitglieder des zweiten Elternteils vorhanden, erben die Verwandten aus der dritten Parentel.
Die Erben des dritten Parentels
Zu der dritten Parentel gehören schliesslich die Grosseltern des Erblassers und deren Nachkommen. Onkel, Tanten und Cousins des Erblassers sind also erbberechtigt.
Für die Verteilung des Vermögens gelten nach Artikel 459 ZGB folgende Regeln:
- Die Erbschaft wird unter den Grosseltern zu je einem Viertel geteilt.
- An die Stelle der verstorbenen Grosseltern treten deren Nachkommen.
- Ist ein Teil der Grosseltern bereits verstorben und hat er keine Nachkommen hinterlassen, so geht dessen Erbteil auf den verbleibenden Grosselternteil über.
- Ist ein Grosselternpaar (mütterlicherseits oder väterlicherseits) verstorben, erbt das andere Grosselternpaar den gesamten Nachlass.
Wie hoch ist der gesetzliche Erbteil?
Die Höhe der Erbschaft, auf die die gesetzlichen Erben Anspruch haben, richtet sich nach den Regeln der gesetzlichen Erbquote. Hier finden Sie einige Beispiele für gesetzliche Erbquoten:
- War der Erblasser unverheiratet und hatte drei Kinder, erbt jedes Kind ein Drittel des Nachlasses.
- War der Erblasser verheiratet und hat drei Kinder, erbt der Ehegatte die Hälfte des Nachlasses, die Kinder erben die andere Hälfte zu gleichen Teilen.
- Hat die Erblasserin keine Kinder oder keinen Ehegatten, erben ihre Eltern den Nachlass.
- Hat die Erblasserin keine Kinder, aber einen Ehegatten, so erbt dieser drei Viertel des Nachlasses, das restliche Viertel geht an die Eltern der Erblasserin.
Was ist die freie Quote?
Die freie Quote ist der Teil des Nachlasses, der nach der Verteilung der gesetzlichen Pflichtteile an die verwandten Erben übrig bleibt. Dieser Teil des Erbes kann durch Testament oder Schenkung zu Lebzeiten frei verteilt werden. Die Höhe des verfügbaren Anteils hängt im Wesentlichen von der Anzahl der gesetzlichen Erben und der Höhe des Pflichtteils ab. Je mehr Pflichtteilsberechtigte vorhanden sind, desto geringer ist der Anteil der freien Quote.
Wie sieht die gesetzliche Erbfolge für eingetragene Partner aus?
Eingetragene Partnerinnen und Partner sind in der Schweiz hinsichtlich der gesetzlichen Erbfolge Ehegatten gleichgestellt. Das bedeutet, dass eine eingetragene Partnerin oder ein eingetragener Partner, wenn der Erblasser kein Testament gemacht hat, nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge wie ein Ehegatte behandelt wird. Geschiedene Ehegatten können sich hingegen nicht mehr auf die gesetzliche Erbfolge berufen. Dies gilt gemäss Artikel 472 ZGB auch, wenn die Scheidung noch nicht rechtskräftig ist, sofern das Verfahren auf gemeinsamen Antrag eingeleitet oder fortgesetzt wurde oder die Ehegatten bzw. eingetragenen Partner bereits zwei Jahre lang getrennt gelebt haben.
Tipp: Hinterlässt der Erblasser einen Partner, mit dem er nicht verheiratet war oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebte (Konkubinatspartner), hat dieser keinen gesetzlichen Erbanspruch. Wenn Sie möchten, dass Ihre Partnerin oder Ihr Partner einen Teil Ihres Vermögens erhält, empfiehlt es sich, mit Hilfe einer auf Erbrecht spezialisierten Anwältin oder eines auf Erbrecht spezialisierten Anwalts ein Testament oder einen Erbvertrag aufzusetzen.
Kann ein gesetzlicher Erbe von der Erbfolge ausgeschlossen werden?
Die Enterbung eines gesetzlichen Erben durch Testament oder Erbvertrag ist grundsätzlich nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich. Es gibt jedoch bestimmte Fälle, in denen ein gesetzlicher Erbe von der Erbfolge ausgeschlossen werden kann. Zum einen kann er selbst auf sein Erbe verzichten, indem er einen Erbverzichtsvertrag oder einen Erbsauskauf abschliesst (Artikel 494 ZGB).
Besondere Fälle: Erbunwürdigkeit und vorsorgliche Enterbung
In seltenen Fällen kann einem Erben das Erbrecht entzogen und er für erbunwürdig erklärt werden. Voraussetzung dafür ist, dass ein wichtiger gesetzlicher Enterbungsgrund vorliegt (Artikel 477 ZGB). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Erbin schwere Straftaten gegen den Erblasser oder eine ihm nahestehende Person begangen hat.
So stellt beispielsweise die versuchte oder absichtliche Tötung des Erblassers einen Erbunwürdigkeitsgrund dar. Tritt ein solcher Fall ein, so geht der Anteil des betreffenden Erben auf dessen gesetzlich anerkannten Nachkommen über.
Darüber hinaus hat der Erblasser die Möglichkeit, zu Lebzeiten von seinem Recht auf Straf- oder Präventiventerbung Gebrauch zu machen. Eine Strafenterbung eines gesetzlichen Erben ist dann möglich, wenn dieser eine schwere Straftat gegen den Erblasser begangen oder seine familienrechtlichen Pflichten verletzt hat. Die vorsorgliche Enterbung hingegen wird meist dann angewendet, wenn beispielsweise eine Erbin hohe Schulden hat und der Erblasser verhindern möchte, dass sein Vermächtnis an diese Erbin den Gläubigern zufällt.
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FAQ: Gesetzliche Erbfolge
Die gesetzliche Erbfolge ist ein System, mit dem festgelegt wird, wer als Erbe eintritt, wenn eine verstorbene Person keine besondere testamentarische Regelung getroffen hat. Mit dem System der gesetzlichen Erbfolge ist es daher möglich, im Voraus abzuschätzen, welche Familienmitglieder welchen Teil des Nachlasses erben werden.
Personen, die als gesetzliche Erben gelten, haben Anspruch auf einen sogenannten Pflichtteil am Erbe. Dieser wird durch den Verwandtschaftsgrad zur verstorbenen Person sowie die Grösse der Erbengemeinschaft bestimmt. War die verstorbene Person verheiratet und hatte zwei Kinder, so erhält der Ehegatte die Hälfte des verfügbaren Anteils und die Kinder zu gleichen Anteilen die andere Hälfte.
Ohne das Vorliegen eines Testaments richtet sich die Erbfolge nach der Anzahl der gesetzlichen Erben in drei Verwandtschaftsgraden. Die Erben sind je nach Verwandtschaftsgrad in sogenannte Parentelen eingeteilt. An erster Stelle stehen der Ehepartner und die Nachkommen der verstorbenen Person, an zweiter Stelle die Eltern und ihre Nachkommen, an dritter Stelle die Grosseltern und ihre Nachkommen.
Wurde ein Testament verfasst, hat es Vorrang vor den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Es ist jedoch nicht möglich, einem Erben durch ein Testament seinen Anspruch auf den Pflichtteil zu entziehen. Um rechtsgültig zu sein, muss ein Testament daher dem geltenden Schweizer Erbrecht und der gesetzlichen Erbfolge entsprechen.
Nach Schweizer Recht ist der eingetragene Partner dem Ehegatten in Bezug auf die Erbfolge gleichgestellt. Somit fallen eingetragene Lebenspartner in das erste Parentel und stehen an erster Stelle in der Erbfolge. Im Todesfall erhalten sie damit die Hälfte des Erbes und die Nachkommen des Verstorbenen erhalten die andere Hälfte.
Nur in seltenen Ausnahmefällen können gesetzliche Erben vom Erbe ausgeschlossen, also enterbt werden. Dies gilt einerseits, wenn ein Erbe oder eine Erbin sich gegen den Erblasser strafbar gemacht oder seine familienrechtlichen Pflichten schwer verletzt hat. Es ist auch möglich, dass gesetzliche Erben mittels eines Erbverzichtsvertrags auf ihren Pflichtteil verzichten.
Hat die verstorbene Person im Konkubinat, also einer weder ehelichen noch eingetragenen Partnerschaft, gelebt, so hat der verbleibende Partner keinen gesetzlichen Anspruch auf einen Anteil am Erbe. Damit auch Konkubinatspartner einen Anteil am Erbe erhalten, ist es notwendig, ein Testament oder einen Erbvertrag aufzusetzen.
Die Regeln der gesetzlichen Erbfolge treten in Kraft, wenn der Erblasser zu Lebzeiten weder ein Testament noch einen Erbvertrag verfasst hat. Hat der Erblasser jedoch testamentarische Vorkehrungen getroffen, so haben diese Vorrang vor den Regeln der gesetzlichen Erbfolge, die dann nur noch in Bezug auf die Pflichtteile wirksam ist.