Das Aufenthaltsbestimmungsrecht bei alternierender Obhut (Wechselmodell)

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Kalender Icon 15. Januar 2022

Nach einer Scheidung entscheidet sich die Mehrheit der Schweizer Eltern für eine gemeinsame elterliche Sorge mit alternierender Obhut für ihre Kinder. Bei dieser Betreuungsform lebt das Kind abwechselnd in den beiden Häusern seiner Eltern für mehr oder weniger gleiche Zeiträume. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie der einzige offizielle Wohnsitz des Kindes gemäss dem Aufenhaltsbestimmungsrechts der Eltern festgelegt wird. In diesem Artikel befassen wir uns mit den Grundsätzen der alternierenden Obhut und deren Einfluss auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht.

Was bedeutet die alternierende Obhut?

Es gibt zwei Modelle für das elterliche Sorgerecht nach einer Trennung oder Scheidung: die alleinige elterliche Sorge eines Elternteiles oder das gemeinsame bzw. abwechselnde Sorgerecht. Letzteres Modell ist seit Juli 2014 die rechtlich gesehen die Norm (Artikel 296 ZGB). So behalten nach einer Trennung in der Regel beide Elternteile die elterliche Sorge, meist auch inklusive der elterlichen Obhut. Seit einiger Zeit wird bei letzter verstärkt ein Wechselmodell vereinbart, die sogenannte alternierende Obhut.

Die elterliche Sorge gemäss Artikel 301-305 ZGB umfasst das Recht, über die täglichen Angelegenheiten des Kindes zu entscheiden (elterliche Obhut), das Recht, wichtige und dringende Entscheidungen in Bezug auf das Kind zu treffen und dessen Vermögen zu verwalten. Sie umfasst ebenfalls die Entscheidungsgewalt über Belange der Erziehung und Ausbildung und ausserdem das Aufenthaltsbestimmungsrecht.

Teilen sich die getrennt lebenden Eltern die elterliche Sorge und möchten eine alternierende Obhut veranlassen, steht bei dieser Entscheidung immer das Wohl des Kindes an erster Stelle (Art. 298 ZGB). Im Idealfall sollte das Kind gleich viel Zeit mit beiden Elternteilen verbringen können. Auf diese Weise kann er oder sie die Beziehungen zu beiden Elternteilen und dem familiären Umfeld aufrechterhalten. Es ist beispielsweise denkbar, dass das Kind alle ein bis zwei Wochen seinen Wohnort wechselt – daher auch der Name „Wechselmodell“. Seltener ist es auch möglich, dass ein Kind einen Monat bei seinem Vater und den nächsten bei seiner Mutter verbringt. Eine 50 %-Aufteilung ist jedoch nicht immer möglich und hängt von der individuellen Verfügbarkeit der Eltern ab. So ist es beispielsweise auch möglich, dass das Kind nur jedes zweite Wochenende mit dem zweiten Elternteil verbringt.

Was ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht?

Das Recht, den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen, ist Teil der elterlichen Sorge (Artikel 301a ZGB). Während die elterliche Obhut bestimmt, bei wem das Kind lebt und von wem es im Alltag betreut wird, verleiht die elterliche Sorge ihren Inhabern Rechte in Bezug auf die gesetzliche Vertretung des Kindes, die Verwaltung seines Geldes und das Recht, den Aufenthaltsort (Wohnort) des Kindes zu bestimmen. Ein Elternteil, der nicht die über die elterliche Obhut, aber über die elterliche Sorge innehat, ist somit auch Mitentscheider über den Aufenthalt des Kindes.

Im Falle einer Trennung oder Scheidung und wenn beide Elternteile die elterliche Sorge behalten, teilen sie sich somit auch das Recht, den Aufenthaltsort zu bestimmen. Wichtig zu beachten ist hierbei, dass Schweizer Bürgerinnen und Bürger nur einen offiziellen Wohnsitz haben können. Aus diesem Grund müssen sich die Eltern einigen, in welcher ihrer beiden Wohnungen das Kind offiziell gemeldet leben soll. 

 

Kann das Aufenthaltsbestimmungsrecht den Eltern entzogen werden?

Ist der Verbleib in der Wohnung eines Elternteils für das Kind unzumutbar geworden oder gefährlich, so kann dem betreffenden Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht gemäss Artikel 310 ZGB entzogen werden. Den Antrag auf diesen Rechtsentzug können sowohl die Eltern als auch das Kind selber bei der Kindesschutzbehörde stellen. Diese kann das Aufenthaltsbestimmungsrecht auch ohne einen entsprechenden Antrag entziehen, wenn sie eine schwerwiegende Gefährdung des Kindeswohls erkennt.

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht in der Praxis

Teilen sich die getrennt lebenden Eltern die elterliche Sorge auf Basis der alternierenden Obhut, so müssen sie in Bezug auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht gut miteinander kooperieren und kommunizieren können. Denn laut Aufenthaltsbestimmungsrecht bei geteilter elterlicher Sorge kann ein Umzug eines Elternteils mit dem Kind nur in gegenseitigem Einvernehmen erfolgen. Nach Artikel 301a des  Zivilgesetzbuches ist die Zustimmung des anderen Elternteils bei gemeinsamer elterlicher Sorge vor dem Umzug einzuholen, wenn...

  • der neue Wohnort ausserhalb der Schweiz liegt.
  • der Umzug in ein neues Zuhause mit einem schwerwiegenden Umbruch im sozialen Umfeld des Kindes und im Schulweg verbunden ist.

Wenn beispielsweise der Vater, der die Obhut für das Kind unter der Woche hat, beschliesst, in einen anderen Kanton, muss er die Zustimmung der Mutter einholen. Beide Eltern müssen dann das Wohl des Kindes abwägen, um festzustellen, ob diese Änderung des Wohnorts für das Kind zumutbar ist. Auch die elterliche Sorge des anderen Elternteils darf durch den Umzug prinzipiell nicht eingeschränkt werden. Eine Neuregelung der elterlichen Sorge ist gemäss Artikel 301a Absatz 5 ZGB jedoch möglich.

 

Entscheidung durch die Kindesschutzbehörde

Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Eltern kann die Kindesschutzbehörde angerufen werden, die wiederum ausschliesslich auf Grundlage des Kindeswohls entscheidet. Beschliesst hingegen ein Elternteil, in das Nachbardorf zu ziehen, was weder eine Veränderung des sozialen Umfelds noch eine zusätzliche Belastung für das Kind bedeutet, muss er nicht die Zustimmung des anderen Elternteils einholen. In einem solchen Fall gilt dennoch aber die Informationspflicht nach Artikel 301a Absatz 3 und 4.

 

Sonderfall: Umzug bei alleiniger elterlicher Obhut

Anders verhält es sich jedoch, wenn im Gegensatz zum Wechselmodell (alternierende Obhut) nur ein Elternteil die elterliche Obhut zugewiesen bekommen hat. Artikel 301a Absatz 3 ZGB sieht vor, dass dieser Elternteil den anderen nicht um seine Zustimmung zu einem Umzug mit dem gemeinsamen Kind bitten muss. Allerdings besteht weiterhin die Informationspflicht über den neuen Wohnort des Kindes.

Wie kann ein Anwalt für Familienrecht Ihnen helfen? 

Das Modell des gemeinsamen Sorgerechts ist in der Schweiz erst seit wenigen Jahren die Norm und steckt daher noch in den Kinderschuhen. Die Fragen des gemeinsamen Sorgerechts und der Bestimmung des Wohnsitzes des Kindes sind jedoch von entscheidender Bedeutung für die weitere Entwicklung und das Wohl Ihres gemeinsamen Kindes. Eine Entscheidung in Bezug auf den Aufenthaltsort sollten Sie daher immer informiert und unter Berücksichtigung der Interessen Ihres Kindes treffen.

Es ist daher ratsam, sich an einen Anwalt für Familienrecht zu wenden, der Sie über Ihre Rechte und Pflichten in Bezug auf die elterliche Sorge und Obhut berät. Im Falle eines Streits über den Umzug des anderen Elternteils kann die Unterstützung eines Anwalts für Familienrecht erforderlich sein, um eine gütliche Einigung zu erzielen und eine Eskalation des Streits insbesondere im Interesse Ihres Kindes zu verhindern.

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MLaw Livio Stocker

Rechtsanwalt Notar

Fachanwalt SAV Familienrecht

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FAQ: Das Aufenthaltsbestimmungsrecht beim gemeinsamem Sorgerecht

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist als solches per Gesetz an die elterliche Sorge gebunden. Somit sind die erziehungsberechtigten Eltern auch die rechtlich befähigten Mitentscheider bei der Bestimmung des Aufenthaltsortes des Kindes. Deshalb ist es in den meisten Fällen notwendig, bei einem Umzug um Zustimmung zu bitten.

Wenn das Sorgerecht nur einem Elternteil zugesprochen wird, spricht man vom alleinigen Sorgerecht. Wenn hingegen beide Elternteile das gemeinsame Sorgerecht haben, spricht man von einem gemeinsamen Sorgerecht, oftmals mit alternierender Obhut. Dieses Modell ist die gängigste Form des gemeinsamen Sorgerechts nach Trennungen und Scheidungen und gilt im Schweizer Recht als Norm.

Bei der alternierenden Obhut verbringt das Kind seine Zeit abwechselnd in den beiden Wohnungen der Eltern. Im Idealfall verbringen sie 50 % ihrer Zeit mit jedem Elternteil, z. B. alle zwei Wochen. Es gibt jedoch mehrere Betreuungsmodelle, die an die jeweilige Familiensituation und an die Verfügbarkeit der Eltern angepasst werden.

Ein Kind von getrennt lebenden oder geschiedenen Eltern, deren elterliche Obhut abwechselnd ausgeübt wird, lebt in der Praxis in zwei Wohnungen. Nach dem Gesetz kann jedoch nur eine Wohnung als offizieller Wohnsitz anerkannt werden. Per Gesetz ist daher definiert, dass der rechtliche Wohnsitz von den Inhabern der elterlichen Sorge gemeinsam oder ggf. allein bestimmt wird.

Wenn ein Elternteil umziehen möchte und dieser Wohnsitzwechsel Auswirkungen auf das soziale Umfeld und das Wohl des Kindes hat, ist dieser verpflichtet, die Zustimmung des anderen Elternteils mit elterlicher Sorge einzuholen. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn der neue Wohnsitz im Ausland liegt. Im Falle von Meinungsverschiedenheiten kann die Kinderschutzbehörde als entscheidende Instanz eingeschaltet werden.

In einigen Fällen kann das Gericht einem Elternteil das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht einräumen. In diesem Fall ist die Zustimmung des anderen Elternteils im Falle eines Umzugs nicht erforderlich. Selbst in den Fällen, in denen beide das Aufenthaltsbestimmungsrecht haben, ist die Zustimmung des jeweils anderen Elternteils nicht erforderlich, wenn der Umzug in der Nähe der derzeitigen Wohnung stattfindet oder wenn das Kindeswohl durch den Verbleib am anderen Wohnsitz gefährdet ist.

Können sich die Eltern nicht über den Aufenthaltsort einigen, können sie die Kindesschutzbehörde einschalten. Diese wird bei ihren Entscheidungen das Wohl des Kindes berücksichtigen. Darüber hinaus können auch Gerichte einen Umzug untersagen oder eine angemessene Regelung über den Wohnort anordnen.

Gesetzesartikel

Grundsätze der Elterlichen Sorge (Art. 296 ZGB)

Persönlicher Umgang mit dem Kind (Art. 273 ZGB)

Sorge bei einer Scheidung oder Trennung (Art. 298 ZGB)

Entscheidungen für das Kindeswohl (Art. 301 ZGB)

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