Die Erbfolge in der Gütergemeinschaft:
Rechtslage und Allgemeines

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Kalender Icon 01. Februar 2024

Im Todesfall oder bei einer Scheidung ist die Aufteilung des Vermögens zwischen den Ehegatten von zentraler Bedeutung. In der Schweiz richtet sich diese Aufteilung nach dem Güterstand, zu dem auch die Gütergemeinschaft gehört. In diesem Artikel erfahren Sie, was der Güterstand der Gütergemeinschaft ist und welche Auswirkungen dieser Güterstand auf eine Erbschaft oder eine testamentarische Erbfolge hat.

Auf einen Blick

  • Die Gütergemeinschaft ist ein ehelicher Güterstand, der die Aufteilung des Vermögens zwischen den Ehegatten regelt.
  • In der Schweiz gibt es drei Güterstände: die Errungenschaftsbeteiligung, die Gütergemeinschaft und die Gütertrennung.
  • Bei der Gütergemeinschaft wird das Vermögen beider Ehegatten zum Gesamtgut zusammengeschlossen.

Was ist die Gütergemeinschaft?

Die Gütergemeinschaft ist ein ehelicher Güterstand, der die Aufteilung des Vermögens zwischen den Ehegatten regelt. Der Güterstand der Gütergemeinschaft ist in den Artikeln 221 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) geregelt.

Bei der Gütergemeinschaft legen die Ehegatten praktisch ihr gesamtes Vermögen zusammen. Die Gesamtheit des Eigenguts und der Errungenschaft beider Ehegatten wird somit zum sogenannten Gesamtgut. Dies gilt auch für die Schulden, für die die Ehegatten mit ihrem Gesamtgut haften (Artikel 233 ZGB), mit Ausnahme bestimmter persönlicher Schulden eines Ehegatten (Artikel 234 ZGB).

Um die Gütergemeinschaft als Güterstand zu wählen, müssen die Ehegatten einen Ehevertrag aufsetzen. Ohne Ehevertrag gilt der ordentliche Güterstand, wie er für alle schweizerischen Ehegatten gilt: die Errungenschaftsbeteiligung.

Stirbt ein Ehegatte, so bilden 50 % des Gesamtgutes seinen Nachlass. Von diesem Nachlass erbt der überlebende Ehegatte aufgrund gesetzlicher Erbfolge die Hälfte. Die andere Hälfte geht an die übrigen gesetzlichen Erben des Verstorbenen. Bei einer Scheidung hingegen gelten die Regeln der güterrechtlichen Auseinandersetzung wie bei der Errungenschaftsbeteiligung - das Gesamtgut wird in Eigengut und Errungenschaft aufgeteilt (Artikel 236 ff. ZGB).

 

Was ist das Gesamtgut der Ehegatten?  

Bei der Gütergemeinschaft legen die Ehegatten ihr gesamtes Vermögen zusammen, können aber, wenn sie es wünschen, gewisse Vermögenswerte zurückbehalten, die von der Gütergemeinschaft ausgeschlossen sind. Diese Vermögenswerte gehören zum sogenannten Eigengut und müssen in einem Ehevertrag einzeln aufgeführt werden (Artikel 225 ZGB). Der übrige Teil des ehelichen Vermögens, der nicht eindeutig als Eigengut deklariert wurde, bildet das Gesamtgut der Ehegatten in Gütergemeinschaft. Dieses Vermögen gehört beiden Ehegatten gemeinsam und gemäss Artikel 222 Absatz 3 ZGB kann keiner der Ehegatten über seinen Anteil verfügen.

Wie wirkt sich die Gütergemeinschaft auf das Erbe aus?

Die Auswirkungen der Gütergemeinschaft auf die Aufteilung des Vermögens beim Tod eines Ehegatten können nicht verallgemeinert werden, da sie davon abhängen, ob ein Testament oder ein Erbvertrag errichtet wurde.

Ohne besondere letztwillige Verfügung tritt die gesetzliche Erbfolge ein und es gilt folgender Grundsatz: Der überlebende Ehegatte hat Anspruch auf die Hälfte des Nachlasses des Verstorbenen (die Hälfte des ehelichen Gesamtgutes und gegebenenfalls des Eigengutes des Verstorbenen). Die andere Hälfte des verfügbaren Nachlasses wird unter den gesetzlichen Erben des Erblassers aufgeteilt.

 

Prinzip der gesetzlichen Erbfolge

Die gesetzliche Erbfolge in der Schweiz kennt drei so genannte Parentelen der gesetzlichen Erben. Dabei handelt es sich um Personengruppen, die mit dem Erblasser direkt verwandt sind und in einer bestimmten Reihenfolge erben.

  • 1. Parentel: die direkten Nachkommen (Artikel 457 ZGB)
  • 2. Parentel: die Eltern des Erblassers und deren weitere Nachkommen (Artikel 458 ZGB)
  • 3. Parentel: die Grosseltern des Erblassers und deren weitere Nachkommen (Artikel 459 ZGB)

Mit den Grosseltern und deren Nachkommen, also mit der dritten Parentel, endet das Erbrecht der Verwandten des Erblassers.

 

Gütergemeinschaft und die gesetzliche Erbfolge

Hat die verstorbene Person kein Testament hinterlassen, bestimmt die gesetzliche Erbfolge, wer den Nachlass erhält. Gemäss Artikel 462 ZGB werden überlebende Ehegatten oder eingetragene Partnerinnen oder Partner berücksichtigt und den Erben der ersten Parentel gleichgestellt. Nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge erhält der überlebende Ehegatte oder der überlebende eingetragene Partner zusätzlich zu den bereits erhaltenen 50 % des Nachlasses die folgenden Anteile an der anderen Hälfte des Nachlasses:

  • im Verhältnis zu den Erben der ersten Parentel (Nachkommen): 50 %
  • im Verhältnis zu den Erben der zweiten Parentel (Eltern): 75 %
  • im Verhältnis zu den Erben der dritten Parentel (Grosseltern): 100 %

 

Praktisches Beispiel

Stirbt beispielsweise eine Frau, die in Gütergemeinschaft verheiratet ist und deren Anteil am ehelichen Vermögen CHF 100'000 beträgt, so wird ihr Erbe wie folgt aufgeteilt: Liegt kein Testament oder Erbvertrag vor, erhält der überlebende Ehegatte 50 % des Gesamtvermögens, also 50’000 CHF. Die andere Hälfte (CHF 50'000) fällt grundsätzlich nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge an weitere gesetzliche Erbinnen und Erben. Zusätzlich erhält der überlebende Ehegatte gegenüber dem Kind (Erbe der ersten Parentel) weitere 50 %, d.h. 25’000 CHF des Nachlassvermögens. Die restlichen 25’000 CHF stehen dem Kind zu.

Bei mehreren Kindern werden die 25’000 CHF zu gleichen Teilen auf die Kinder aufgeteilt. In jedem Fall erhält der Ehegatte in diesem Beispiel von den verfügbaren CHF 100'000 insgesamt CHF 75'000, CHF 25'000 gehen an die Kinder.

 

Gütergemeinschaft und Testament bzw. Erbvertrag

Wird vom Erblasser ein Testament oder ein Erbvertrag aufgesetzt, kann der Erblasser selbst bestimmen, welchen Anteil die Erben an seinem Nachlass erhalten sollen. Auch bei der Gütergemeinschaft richtet sich die Verteilung des Nachlasses nach dem Willen des Erblassers und nicht nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Der Erblasser kann also beispielsweise bestimmen, dass sein überlebender Ehegatte einen grösseren Anteil am Nachlass erhalten soll als seine Kinder. Dabei muss er jedoch immer die gesetzlichen Pflichtteile berücksichtigen, die bestimmten gesetzlichen Erben weiterhin zustehen.

Die Pflichtteile betragen gemäss Artikel 471 ZGB je 50 % für den Ehegatten bzw. die eingetragene Partnerin oder den eingetragenen Partner und für die Nachkommen.

Angenommen, eine Erblasserin verfasst ein Testament über ihr Vermögen von CHF 100'000. Sie bestimmt, dass 90’000 CHF an ihren Ehegatten und 10’000 CHF an ihren Sohn gehen sollen. Diese Verfügung ist im Rahmen des gesetzlichen Pflichtteils des Sohnes, der 50 % des gesetzlichen Anspruchs beträgt, nicht möglich. Der Sohn der Erblasserin darf nicht weniger als 12’500 CHF erhalten.

 

Sonderfall: Erbverzicht durch Erbvertrag

Es ist möglich, dass gesetzliche Erben auf ihren Pflichtteil verzichten. Eine solche Regelung kann zu Lebzeiten des Erblassers durch einen Erbvertrag getroffen werden. In der Regel erhält der Erbe oder die Erbin dafür eine finanzielle Abfindung. Ein solcher Erbverzichtsvertrag bietet sich vor allem dann an, wenn z.B. der überlebende Ehegatte im Todesfall finanziell abgesichert und deshalb mit einem höheren Anteil am Erbe berücksichtigt werden soll.

Welche weiteren Güterstände gibt es?

Neben der Gütergemeinschaft kennt die Schweiz zwei weitere Güterstände. Der ordentliche Güterstand gemäss Artikel 181 ZGB ist die Errungenschaftsbeteiligung. Bei diesem Güterstand haben die Ehegatten während der Ehe getrennte Vermögen und bleiben Eigentümer ihres Eigenguts (Artikel 196 ff. ZGB). Das während der Ehe erworbene Vermögen (Errungenschaft) wird ebenfalls getrennt verwaltet. Bei Auflösung des Güterstandes wird das während der Ehe erworbene Vermögen zu gleichen Teilen unter den Ehegatten aufgeteilt.

Bei der Gütertrennung hingegen gibt es zu keinem Zeitpunkt ein "gemeinsames Vermögen" und jeder Ehegatte bleibt Eigentümer seines Eigenguts und seiner Errungenschaften (Artikel 247 ff. ZGB). Im Falle einer Scheidung muss das Vermögen daher nicht aufgeteilt werden. Um die Gütertrennung zu vereinbaren, müssen die Ehegatten einen notariell beurkundeten Ehevertrag abschliessen.

Für wen eignet sich die Gütergemeinschaft?

Die Wahl des Güterstandes der Gütergemeinschaft hat mehrere vermögensrechtliche Folgen, die der Frage der Erbfolge vorausgehen. Was das Vermögen betrifft, so wird das Vermögen der Ehegatten unmittelbar Teil der Gütergemeinschaft und gehört den Ehegatten unteilbar. Der Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder Immobilien bedarf daher stets der einvernehmlichen Zustimmung der Ehegatten. Dies gilt auch für Erbschaften, die einem Ehegatten zufallen.

Auch im Hinblick auf die Schulden hat die Zusammenlegung des Vermögens der Ehegatten wichtige Konsequenzen. Während eines Gerichtsverfahrens können die Gläubiger eines Ehegatten einen Teil des gemeinsamen Vermögens beanspruchen. Im Todesfall schliesslich erhält der überlebende Ehegatte, wie bereits erwähnt, im Rahmen der Gütergemeinschaft die Hälfte des verfügbaren Vermögens, d.h. die Hälfte des Gesamtvermögens.

Der Güterstand der Gütergemeinschaft kann also während der Ehe zu einer gewissen Vermischung der Güter führen, hat aber den Vorteil, dass der überlebende Ehegatte im Todesfall begünstigt wird. Dieser Güterstand kann auch von Paaren gewählt werden, die eine eingetragene Partnerschaft eingegangen sind.

Tipp: Für Ehegatten und Lebenspartner ist es sehr wichtig, ihre finanziellen Angelegenheiten während der Ehe und auch danach klar zu regeln. Auf Erbrecht spezialisierte Anwältinnen und Anwälte können Sie kompetent über die Auswirkungen der Zugewinngemeinschaft auf Ihr Erbe beraten und Ihnen bei der Abfassung eines Testaments oder Ehevertrags nach den geltenden Bestimmungen behilflich sein.

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FAQ: Erbfolge bei Gütergemeinschaft

Die Gütergemeinschaft ist ein ehelicher Güterstand, der die Aufteilung des Vermögens zwischen den Ehegatten während und nach der Ehe regelt. Bei der Gütergemeinschaft verfügen die Ehegatten über kein getrenntes Vermögen, sondern verwalten gemeinsam ihr sogenanntes Gesamtgut.

Der Güterstand der Gütergemeinschaft ist einer der drei schweizerischen Güterstände. Er ist nicht der häufigste Güterstand, und wenn sich die Eheleute dafür entscheiden, müssen sie einen Ehevertrag unterzeichnen, um ihn offiziell anzunehmen. Andernfalls gilt für jedes Ehepaar der ordentliche Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung.

Grundsätzlich kann bei einer Gütergemeinschaft kein Ehegatte über sein Vermögen allein verwalten. Ehegatten können allerdings in einem Ehevertrag jeweils eigene Vermögenswerte als Eigengut deklarieren, welche dann kein Teil des ehelichen Gesamtguts werden.

 

Liegt kein Testament vor, gilt für die Aufteilung des Vermögens bei einer Gütergemeinschaft der folgende Grundsatz: Die Hälfte des verfügbaren Vermögens der verstorbenen Person (50 % des Gesamtguts) geht an den überlebenden Ehegatten. Die andere Hälfte des Erbes fällt in den Nachlass und somit an die weiteren gesetzlichen Erben.

 

In einer Ehe, die auf Gütergemeinschaft beruht, erbt der Ehegatte im Todesfall mindestens 50 % des verfügbaren Vermögens, sofern im Testament nichts anderes vorgesehen ist. Ausserdem erhält er die Hälfte der Vermögenswerte, die in den Nachlass fallen, d. h. letztlich 75 % des Vermögens. Ein Kind oder mehrere Kinder erhalten das verbleibende Erbe.

 

Vermögen, das den Ehegatten vor der Eheschliessung gehörte (Eigengut), ist ebenso wie während der Ehe erworbene Errungenschaften Teil des Gesamtguts beider Ehegatten im Rahmen der Gütergemeinschaft. Es ist jedoch möglich, bestimmte Vermögenswerte per Vertrag als Eigengut zu deklarieren.

In der Schweiz gibt es drei eheliche Güterstände. Die Gütergemeinschaft und Gütertrennung erfordern einen Ehevertrag. Liegt kein Ehevertrag vor, gilt als gesetzlicher Güterstand die Errungenschaftsbeteiligung, die ebenfalls mit einem Ehevertrag modifiziert werden kann.

Gesetzesartikel

Rechtliche Bestimmungen zur Gütergemeinschaft (Artikel 221 ff ZGB)

Der Erbanspruch überlebender Ehegatten und Lebenspartner (Artikel 462 ZGB)

Pflichtteile an gesetzliche Erben (Artikel 471 ZGB)

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