Scheidungen ohne Anwalt: Bedingungen, Risiken, Alternativen
Eine Scheidung ist immer ein belastender und zeitintensiver Prozess. Zudem fallen dabei Kosten an, die meistens mindestens im vierstelligen Bereich liegen. Da ist es nur allzu gut verständlich, dass viele Noch-Ehepaare eine Scheidung ohne Anwalt in Erwägung ziehen, um zumindest die Anwaltskosten zu sparen. In diesem Artikel erfahren Sie, ob und wann eine Scheidung ohne Anwalt sinnvoll ist und was Sie dabei beachten müssen.
Wann ist eine Scheidung ohne Anwalt sinnvoll?
In der Schweiz gibt es kein Gesetz, das die anwaltliche Vertretung bei Scheidungen vorschreibt. Das gilt sowohl für Scheidungen auf gemeinsames Begehren als auch für Scheidungsklagen. Während es zunächst vorteilhaft klingt, zumindest diese Kosten sparen zu können, ist eine Scheidung ohne Anwalt nicht immer ratsam. Das liegt unter anderem daran, dass Scheidungen in der Schweiz immer von einem Gericht beurteilt und entschieden werden. Dabei wird besonderes Augenmerk darauf gelegt, ob alle getroffenen Vereinbarungen rechtskonform und fair gegenüber allen Beteiligten sind.
In diesem Sinne ist zu konstatieren, dass Scheidungen ohne Anwalt in den meisten Fällen nur dann sinnvoll sind, wenn die Scheidung auf gemeinsames Begehren eingereicht wird. Mittels einer Scheidungskonvention können die Noch-Ehegatten die Nebenfolgen untereinander regeln und müssen diese nur noch vom Gericht prüfen lassen. Je mehr strittige Punkte es zum Zeitpunkt der Anhörung noch gibt oder wenn Sie gar eine Scheidungsklage einreichen, desto wichtiger ist es auch, dass Sie über Ihre Rechte und Ansprüche Bescheid wissen und wie Sie diese effektiv vertreten können. Für Laien ist dies eine schwierige Aufgabe, sodass eine rechtliche Vertretung in solchen Fällen empfehlenswert ist.
Wie reiche ich eine Scheidung ohne Anwalt ein?
Entscheiden Sie sich für eine Scheidung ohne Anwalt, so hängt das weitere Vorgehen zunächst davon ab, ob es sich um eine einvernehmliche oder einseitig verlangte Scheidung handelt. Bei einer Scheidung auf gemeinsames Begehren stellen Sie und Ihr Partner ein gemeinsames Scheidungsgesuch (den Scheidungsantrag), bei einer Scheidungsklage reichen Sie diese allein als klagende Partei ein. Zuständig ist das jeweilige Zivilgericht Ihres Wohnortes oder des Wohnortes Ihres Partners.
Scheidung auf gemeinsames Begehren: Scheidungsantrag
Bei Scheidungen auf gemeinsames Begehren verlangt das Gericht im Regelfall bereits bei Antragstellung, dass die scheidenden Paare neben dem erklärten Scheidungsbegehren auch eine vollständige Einigung über die Nebenfolgen einreichen – die sogenannte Scheidungskonvention nach Artikel 111 Abs. 1 ZGB. Die meisten Gerichte fordern hierbei ausserdem eine Reihe von Unterlagen, die die persönliche Situation sowie den Vermögensstand beider Ehegatten belegen.
Das Scheidungsbegehren
Im sogenannten Scheidungsbegehren erklären die Ehegatten ihren einvernehmlichen Scheidungswillen. Dazu geben sie ausserdem sämtliche personenbezogenen Daten beider Partner an und erklären, ob sie die Nebenfolgen selbst regeln oder gegebenenfalls einige Aspekte durch das Gericht entschieden werden sollen. Für Scheidungsbegehren gibt es Musterformulare, die Sie meistens auf der Website des jeweiligen Gerichtes herunterladen können. Prinzipiell gelten hierfür allerdings keine festgelegten Formvorschriften, solange Sie die nötigen Angaben machen und das Dokument beide handschriftlich unterschreiben.
Die Scheidungskonvention
In der Scheidungskonvention bzw. Scheidungsvereinbarung regeln Sie vor Antragstellung, wie Sie die Nebenfolgen der Scheidung untereinander regeln möchten. Dazu gehören:
- Die güterrechtliche Auseinandersetzung je nach Güterstand (Vermögensaufteilung)
- Der Verbleib der Familienwohnung
- Gegebenenfalls die Höhe des nachehelichen Unterhalts
- Das Sorgerecht für gemeinsame Kinder
- Das Besuchsrecht für gemeinsame Kinder
- Die Höhe des Kinderunterhalts
- Der Vorsorgeausgleich
- Die Übernahme der Prozesskosten
Es ist durchaus möglich, die Scheidungskonvention selbst aufzusetzen. Insbesondere wenn Sie sich ohne Konflikte über die Folgen einig sind oder gar einen Ehevertrag abgeschlossen haben, sollte sich dies nicht allzu schwierig gestalten. Dennoch sollten Sie darauf achten, dass alle Vereinbarungen gesetzeskonform und fair getroffen werden – inhaltliche und formale Fehler können nämlich im schlimmsten Fall zu einer Abweisung der Scheidungskonvention vor Gericht führen.
Scheidung auf einseitiges Begehren: Scheidungsklage
Wenn keine Einigung über eine einvernehmliche Scheidung getroffen werden kann, bleibt für jenen Partner, der die Scheidung verlangt, meist nur noch die Option einer Scheidungsklage. In diesem Fall ist es ratsam, sich anwaltlich beraten oder vertreten zu lassen. Das Schweizer Zivilgesetz bevorzugt einvernehmliche Scheidungen, weshalb es für Kläger bei einer Scheidung auf einseitiges Begehren mehr rechtliche Hürden und Bestimmungen zu beachten gibt. So kann nach Artikel 114 ZGB eine einseitige Scheidung im Regelfall erst nach mindestens zwei Jahren des Getrenntlebens eingereicht werden. Die Trennungszeit beginnt grundsätzlich mit Aussprache des Trennungswillens und der dauerhaften räumlichen Trennung der Partner. Das Gericht muss bei Prüfung der Klage eindeutig erkennen können, dass mindestens zwei Jahre seit der Trennung vergangen sind.
Liegen schwerwiegende Gründe für eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Ehe vor, kann die zweijährige Trennungszeit gegebenenfalls auch unterschritten werden (Art. 115 ZGB). Das Gericht bemisst die Schwere der Gründe und prüft ausserdem, dass diese nicht der klagenden Partei zugeschrieben werden können. Um mögliche Schwierigkeiten auszuschliessen, ist zumindest eine rechtliche Beratung vor Einreichen der Klage zu empfehlen. So können Sie sichergehen, dass Ihre Klage vom Gericht nicht abgewiesen wird und können sich ausserdem über Ihre Ansprüche und Handlungsmöglichkeiten beraten lassen.
Was gibt es bei einer Scheidung ohne Anwalt zu beachten?
Eine Scheidung hat immer auch rechtliche Konsequenzen, weshalb eine Scheidung ohne Anwalt einige – möglicherweise schwerwiegende – Risiken bergen kann. Entscheiden Sie sich für diesen Schritt, sollten Sie diese Risiken abwägen und sichergehen, dass Sie die folgenden Punkte beachten, damit Ihr Scheidungsbegehren möglichst schnell und reibungslos durchgesetzt werden kann. Eine abgelehnte Scheidungskonvention oder Scheidungsklage verursacht zusätzliche Kosten, die Sie durch den selbstständigen Prozess eigentlich sparen wollten.
Rechtsgültigkeit
Unabhängig davon, welche Vereinbarungen Sie treffen oder warum Sie eine Scheidung einklagen möchten: Sämtliche Regelungen und Forderungen müssen sich immer im gesetzlichen Rahmen der Schweiz bewegen. Zu beachten sind bei Scheidungen insbesondere sowohl das Zivilgesetz (ZGB) als auch die Zivilprozessordnung (ZPO). Verstösst eine Vereinbarung gegen das geltende Scheidungsrecht, könnte dies beispielsweise Ihre Scheidungskonvention vor Gericht nichtig machen.
Gleichberechtigung (Scheidungsantrag)
Zwar sind Scheidungen auf gemeinsames Begehren einfacher durchzusetzen als Scheidungsklagen, trotzdem werden sie von den Scheidungsgerichten eingehend geprüft. Jeder Scheidungsantrag und besonders jede Scheidungskonvention wird darauf geprüft, ob der Scheidungswille authentisch und unbeeinflusst auf beiden Seiten besteht. Ist die Scheidungskonvention beispielsweise zum Nachteil eines Partners formuliert, könnte dies Zweifel an der Einvernehmlichkeit der Vereinbarungen aufkommen lassen und den Antrag gefährden.
Generell ist es im Interesse beider Partner, sich genau mit den Nebenfolgen der Scheidung auf ihr Leben auseinanderzusetzen und im Zweifel lieber zweimal ihre persönlichen und finanziellen Ansprüche zu prüfen. Zwar kann die Scheidungskonvention vor der Anhörung noch geändert oder widerrufen werden – ist sie allerdings einmal genehmigt, ist dies nur mehr schwer durchzusetzen.
Zeitpunkt (Scheidungsklage)
Bei einer Scheidungsklage nach Getrenntleben gemäss Artikel 114 ZGB müssen Sie als Kläger sichergehen, dass auch tatsächlich zwei Jahre seit der Trennung vergangen sind. Ist dies nicht der Fall oder bekommt das Gericht den Eindruck, dass die Trennung noch nicht lange genug besteht, kann Ihre Klage abgewiesen werden – auf Ihre Kosten.
Gründe für Unzumutbarkeit (Scheidungsklage)
Wenn Sie auf Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Ehe nach Artikel 115 ZGB plädieren möchten, sollten Sie die entsprechenden Gründe zweifelsfrei darlegen können, damit das Gericht erkennt, dass diese nicht Ihnen zuzurechnen sind. Wenn die Gründe nicht ausreichend nachgewiesen werden können, besteht das Risiko, dass die Klage abgewiesen wird. Das Gleiche gilt für den Fall, dass die Gründe vom Gericht nicht als schwerwiegend anerkannt werden.
Welche Alternativen gibt es zu einer anwaltlichen Vertretung?
Eine beliebte und effektive Alternative zu einer anwaltlichen Vertretung oder Beratung kann bei kleineren Konflikten eine Mediation sein. Mediationen haben das Ziel, zwischen den Partnern zu vermitteln, um zu sachlichen und konstruktiven Lösungen für eine Scheidungskonvention zu kommen. Alternativ dazu können Sie auch eine nicht-anwaltliche Trennungsberatung in Anspruch nehmen. Mit einer erfolgreichen Mediation schaffen Sie eine gute Basis für den zukünftigen Kontakt und vor allem für eine weiterhin konfliktfreie Scheidung. Ausserdem zeigt sich der Nutzen einer Mediation auch bei der finanziellen Ersparnis: Mit einer umfassenden oder einer Teileinigung können Sie eine Scheidung auf gemeinsames Begehren einreichen und diese gegebenenfalls ohne Anwalt in einem Prozess von kurzer zeitlicher Dauer abschliessen.
Wie kann ein Anwalt bei einer Scheidungsklage helfen?
Grundsätzlich gibt es in der Schweiz keine Anwaltspflicht bei Scheidungsklagen. Dennoch ist es ratsam, eine Scheidungsklage nicht gänzlich ohne anwaltliche Hilfe durchzuführen. Ein Anwalt für Familienrecht kann Sie beispielsweise bei Fragen bezüglich der Trennungszeit oder der Unzumutbarkeit in Ihrer individuellen Situation beraten. So können Sie eventuell eine schnellere Einleitung der Klage bewirken.
Eine Anwältin kann Ihnen ausserdem bei der Ausarbeitung einer rechtsgültigen Klage helfen, sodass diese gleich beim ersten Versuch vom Gericht angenommen wird. Anwältinnen sind zu jedem Zeitpunkt ihre fachkundigen Ansprechpartnerinnen und wissen über Ihre besten Handlungsoptionen in allen Phasen eines strittigen Scheidungsprozesses Bescheid.
FAQ: Scheidung ohne Anwalt
Ja, in der Schweiz können sich Ehepaare auch ohne Anwältin scheiden lassen. Jede Scheidung wird allerdings immer von einem Gericht beurteilt und ausgesprochen.
Der grösste Vorteil einer Scheidung ohne Anwalt ist ihre Kosteneffizienz. In einem solchen Fall verbleiben nur die jeweiligen Gerichtskosten, die Sie und Ihr Partner untereinander aufteilen können.
Eine Scheidung hat diverse rechtliche Konsequenzen für beide Partner, die oft vor allem finanzieller Natur sind. Fehler, die Sie aus rechtlicher Unwissenheit in den Vereinbarungen über die Scheidungsfolgen begehen, können Sie nach der Scheidung nicht oder nur sehr schwer wieder beheben. Auch für möglicherweise abgelehnte Anträge und Klagen haften Sie selbst.
Bei einer Scheidung ohne Anwältin müssen Sie (und Ihr Partner) nur die anfallenden Gerichtskosten bezahlen. Diese variieren je nach Komplexität des Sachverhalts als auch zwischen den Kantonen. Bei einer Scheidung auf gemeinsames Begehren liegen die Gerichtskosten beispielsweise zwischen 830 CHF (Basel-Stadt) und 1’600 CHF (Zürich).
Ein Scheidungsantrag setzt sich aus den folgenden Dokumenten zusammen:
Das Scheidungsbegehren
Die Scheidungskonvention bzw. Scheidungsvereinbarung
Belege zur finanziellen und persönlichen Situation beider Ehegatten
Alternativ zu einer anwaltlichen Vertretung können Sie im Vorfeld der Scheidung eine Mediatorin oder einen nicht-anwaltlichen Trennungsberater konsultieren, um auf aussergerichtlichem Wege eine Scheidungskonvention zu vereinbaren.
Von einer Scheidungsklage ohne Anwalt ist abzuraten, da die finanziellen und rechtlichen Konsequenzen eines Fehlers in der Klage oder während des Prozesses besonders schwerwiegend sein können – ganz abgesehen vom Aufwand, der notwendig ist, um sich sowohl mit den Bestimmungen des Zivilgesetzbuches als auch von der Zivilprozessordnung selbstständig vertraut zu machen.