Nutzniessungsrecht: Was das ist und wie es geregelt wird

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Kalender Icon 10. Mai 2022

Das Nutzniessungsrecht ermöglicht es, ein Objekt in seiner Gesamtheit in Anspruch zu nehmen, ohne dessen Eigentümer zu sein. Man muss sich jedoch an der Instandhaltung beteiligen. Dieses im Schweizer Zivilgesetzbuch geregelte Nutzungsrecht ist sowohl auf bewegliche Sachen, Grundstücke, Rechte als auch auf Vermögen anwendbar. In diesem Artikel erfahren Sie, was Nutzniessung ist, welche Rechte und Pflichten die Nutzniesser haben und welche Vor- und Nachteile es mit sich bringt.

Auf einen Blick

  • Wird ein Nutzniessungsrecht gewährt, dürfen Berechtigte das Eigentum eines anderen nutzen, verwenden oder besetzen.
  • Die Nutzniesser können ein Grundstück bzw. eine Immobilie selbst wohnen, sie vermieten oder leer stehen lassen.
  • Nutzniessungsrechte an Grundstücken müssen im Grundbuch eingetragen werden.

Was ist das Nutzniessungsrecht? 

Die Nutzniessung ist ein Nutzungsrecht, das im Schweizer Zivilgesetzbuch im Abschnitt 2 «Nutzniessung und andere Dienstbarkeiten» definiert ist (Artikel 745 ff. ZGB). Sie ist eine Art persönliche Dienstbarkeit, d. h. ein Zwang, der den Eigentümern zugunsten anderer Nutzer auferlegt wird. Grundsätzlich können alle Güter Gegenstand eines Nutzniessungsrechts sein. Dies gilt also sowohl für Grundstücke, als auch für bewegliche Güter, Rechte und Vermögen. Gemäss Artikel 776 Absatz 3 ZGB zählt insbesondere auch das Wohnrecht unter die Vorgaben der Nutzniessung. Überdies kann das Nutzniessungsrecht natürlichen oder juristischen Personen gewährt werden.

Konkret erlaubt das Nutzniessungsrecht den Begünstigten, beispielsweise eine Wohnung, die ihnen nicht gehört, zu bewohnen oder zu vermieten. Im Falle einer Vermietung erhalten die Nutzniessberechtigten die Mieteinnahmen aus der Immobilie. Beachten Sie jedoch, dass das Nutzniessungsrecht mit einer Verpflichtung zur Instandhaltung und Verwaltung des Objekts einhergeht.

Es ist auch zu beachten, dass Eigentümer von z B. Immobilien mit einem gewährten Nutzniessungsrecht nicht verpflichtet sind, die Zustimmung der Begünstigten einzuholen, wenn sie ihre Immobilie verkaufen möchten. Die Begünstigten geniessen jedoch auch nach dem Verkauf weiterhin ihr Nutzniessungsrecht, das erst mit ihrem Tod bzw. nach 100 Jahren erlischt (Artikel 749 ZGB). Vorzeitig kann dies nur durch eine Verzichtserklärung aufgehoben werden.

Welche Rechte haben Nutzniesser?

Gemäss Artikel 745 ff. ZGB hat der berechtigte Nutzniesser zunächst einmal ein Recht auf Besitz, welches in Artikel 755 ZGB festgehalten ist. Dieses Recht ermöglicht es, den betreffenden Gegenstand zu besitzen und zu nutzen. Handelt es sich zum Beispiel um eine Immobilie, kann ein Nutzniesser oder eine Nutzniesserin sie selbst bewohnen, vermieten oder leer stehen lassen, kann sie jedoch nicht zum Verkauf anbieten.

In diesem Sinne sind Nutzniesser auch nicht berechtigt, das wirtschaftliche Eigentum an Objekten zu ändern, wenn dies zum Nachteil der Eigentümer geschieht. Beispielsweise ist es Nutzniessern nicht gestattet, fruchtbares Land zu nutzen, um Altfahrzeuge abzustellen. Dies käme einer Schadstoffkontamination des fruchtbaren Bodens gleich.

In Bezug auf das oben erwähnte Nutzungsrecht, das mit dem Besitzrecht einhergeht, dürfen Nutzniesser Einkünfte aus den Objekten beziehen. Wird ein Objekt also vermietet, erhält der oder die Berechtigte die Einnahmen aus dem Mietvertrag. Wenn es sich um ein landwirtschaftliches Grundstück handelt, erhalten Nutzniesser die Erträge aus der Ernte von diesem Grundstück. 

Welche Pflichten haben Nutzniesser?

Mit den Rechten einer Nutzniessung gehen auch Pflichten einher. Dies ist zunächst einmal die Sorgfaltspflicht: Nutzniesser müssen bei der Ausübung ihres Nutzniessungsrechts Sorgfalt und Umsicht walten lassen.

Nutzniesser sind auch zur Instandhaltung und Verwaltung des jeweiligen Objekts nach Artikel 764 ff. ZGB verpflichtet. Sie sind dafür verantwortlich, die Reparaturen und gewöhnliche Instandhaltung etwa einer Immobilie durchzuführen und die dafür anfallenden Kosten zu bezahlen. Sie tragen weiterhin die üblichen Verwaltungskosten, Zinsen für Hypotheken, Versicherungsprämien und die mit der Immobilie verbundenen Steuern, wie Grundsteuer und Einkommensteuer.

Zu beachten ist auch, dass Nutzniesser gemäss dieser Instandhaltungspflicht und der Sorgfaltspflicht verpflichtet sind, etwaige Eigentümer zu informieren, wenn grössere Reparaturen zum Schutz des Objekts erforderlich sind. Wenn Eigentümer nicht in der Lage sind, die notwendigen Arbeiten durchzuführen, dürfen Nutzniesser diese auf Kosten der Eigentümer selbst durchzuführen. Dies ist speziell im Artikel 764 Absatz 2 und 3 ZGB geregelt.

Behandeln Nutzniesser ein Objekt hingegen nachlässig, können Eigentümer Einspruch erheben und nach Artikel 760 ZGB die Hinterlegung einer Sicherheit verlangen. Eskaliert die Situation, kann ein Gericht nach Artikel 762 ZGB die Einziehung des Objekts beschliessen.

Wie wird das Nutzniessungsrecht gewährt oder in Anspruch genommen?

Ein Nutzniessungsrecht kann von Eigentümern nach dem Tod oder zu Lebzeiten eingeräumt werden. Wenn das Nutzniessungsrecht zu Lebzeiten eingeräumt wird, spricht man von einer rechtsgeschäftlichen Einräumung. Dabei kann es sich beispielsweise um eine Schenkung oder eine vorzeitige Erbfolge an die Nachkommen handeln. 

Auf diese Weise können Eltern beispielsweise die Entscheidung treffen, ihr Haus zu Lebzeiten ihrem Kind zu vermachen, während sie weiterhin das Recht haben, die Immobilie zu bewohnen oder zu vermieten. So verzichten die Eltern zwar auf ihre Eigentumsrechte an dem Haus, sind aber in ihrem Nutzungsrecht nicht eingeschränkt. Wenn die Nutzniessung an einem Grundstück zu Lebzeiten der Eigentümer gewährt wird, muss dies in einem notariellen Dokument festgehalten und im Grundbuch eingetragen werden.

Das Nutzniessungsrecht kann nach dem Tod in Kraft treten, wenn dies im Testament oder in einem Erbvertrag festgeschrieben wurde. Dies ist in der Regel der Fall, wenn eine Immobilie an Kinder vererbt wird, dem überlebenden Ehepartner oder der Ehepartnerin aber ein Nutzniessungsrecht gewährt werden soll. Zu beachten ist auch, dass nach Artikel 219 Absatz 1 ZGB der überlebende Ehepartner ein Nutzniessungsrecht an der mit dem verstorbenen Ehepartner geteilten Wohnung geltend machen kann.

Was sind die Vorteile des Nutzniessungsrechts?

Für Eigentümer besteht der Hauptvorteil der Nutzniessung in der Möglichkeit, Steuern zu sparen. Da der Wert einer Immobilie durch die Einräumung einer Nutzniessung gemindert wird, legt die Steuerbehörde diesen geringeren Betrag bei der Berechnung der Schenkungssteuer zugrunde. Dasselbe gilt für die Steuer auf Immobiliengewinne: Der Steuerbetrag ist niedriger, wenn die Immobilie von Kindern bewohnt wird. Beachten Sie jedoch, dass die Steuervorteile von Kanton zu Kanton unterschiedlich sind und von den örtlichen Vorschriften abhängen.

Für Nutzniesser bietet die Nutzniessung den Vorteil, dass sie ein Objekt frei bewohnen und nutzen können, ohne dessen Eigentümer zu sein. So ist es auch möglich, ein Einkommen zu erzielen, indem etwa die Immobilie vermietet oder die Ernteerträge des Grundstücks verkauft werden. Ein weiterer grosser Vorteil ist die Tatsache, dass Eigentümer für grössere Reparaturen am Nutzniessungsobjekt aufkommen müssen.

Was sind die Nachteile des Nutzniessungsrechts?

Für Eigentümer besteht der zentrale Nachteil darin, dass eine Nutzniessung die Chancen erheblich verringert, das Objekt verkaufen zu können. Wenn eine Nutzniessung an Grundstücken gewährt wird, wird diese im Grundbuch eingetragen und besteht auch nach dem Verkauf weiter, es sei denn, die Dienstbarkeit wird gelöscht. Käufer müssen also auf ihr Wohnrecht verzichten oder die Zustimmung des Nutzniessers zur Nutzung der erworbenen Immobilie einholen.

Für die Begünstigten hat die Nutzniessung den Nachteil, dass sie nicht Eigentümer des Objekts sind. So stellt die Nutzniessung eine grössere finanzielle Belastung dar als bei einer Anmietung, ohne die Immobilie jedoch zu besitzen. 

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FAQ: Recht auf Nutzniessung

Die Nutzniessung ist ein persönliches Dienstrecht. Es ermöglicht Begünstigten, eine bewegliche oder unbewegliche Sache zu besitzen und zu nutzen, die ihnen nicht gehört. Im Gegenzug sind Nutzniesser verpflichtet, das Objekt instand zu halten und anfallende Kosten zu tragen.

 

Eigentümer von Immobilien mit Nutzniessung können von den Begünstigten kein Einkommen aus ihrem Eigentum verlangen. Nutzniesser können die Immobilie jedoch vermieten und die Einnahmen daraus behalten. Dasselbe gilt für Einkünfte aus der landwirtschaftlichen Nutzung eines Grundstücks.

 

Eigentümer von Immobilien mit Nutzniessung behalten das Recht, ihr Eigentum zu verkaufen. Dafür müssen sie nicht die Zustimmung der Nutzniesser einholen. Nutzniesser haben dieses Recht hingegen nicht, können allerdings ihr Nutzniessungsrecht an eine andere Person abtreten.

 

Für die laufenden Instandhaltungsarbeiten sind laut Artikel 764 ff. ZGB Nutzniesser verantwortlich. Wenn hingegen grössere Arbeiten zum Schutz des Eigentums erforderlich sind, gehen diese zulasten der Eigentümer.

 

Nutzniesser sind gesetzlich verpflichtet, das Objekt instand zu halten und zu verwalten. Wenn sie es nachlässig behandeln, können Eigentümer Einspruch erheben und nach Artikel 760 ZGB die Hinterlegung einer Sicherheit verlangen. Wenn Nutzniesser den Verfall des Objekts zulassen und keine Sicherheit hinterlegen, kann ein Gericht nach Artikel 762 ZGB die Einziehung des Objekts beschliessen.

 

Gemäss Artikel 749 ZGB erlischt das Recht auf Nutzniessung mit dem Tod der Begünstigten. Es hat jedoch eine maximale Laufzeit von 100 Jahren. Ausserdem ist es möglich, eine Nutzniessung durch eine Verzichtsvereinbarung zu beenden.

 

Es ist nicht möglich, dass Nutzniesser das Eigentum an einem Objekt ändern, wenn dies zum Nachteil des Eigentümers geschieht. Die Änderung der Eigentumsverhältnisse darf nicht zu einer Verschlechterung des Objekts führen.

 

Gesetzesartikel

Gegenstand der Nutzniessung (Artikel 745 ZGB)

Recht des Nutzniessers (Artikel 755 ZGB)

Erlöschen der Nutzniessung (Artikel 748 ZGB)

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