Wann liegt eine Enteignung vor und wie können sie sich wehren?

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Kalender Icon 10. Mai 2022

In der Schweiz geniesst das private Eigentum einen besonderen Schutz – das Recht darauf ist sogar in der Bundesverfassung als Grundrecht verankert. Eine Enteignung kann in manchen Fällen notwendig werden und zulässig sein, sollte aber immer das letzte Mittel sein. Als Grundstückseigentümer oder Immobilienbesitzerin haben Sie in dem Fall einige Rechte. Wann Sie sich gegen eine Enteignung wehren können und wann Ihnen eine Entschädigung zusteht, erfahren Sie in diesem Beitrag.

 

Auf einen Blick

  • Das private Eigentum ist in der Bundesverfassung in den Grundrechten verankert. Für eine zulässige Enteignung müssen deshalb einige Voraussetzungen erfüllt werden.
  • Jegliche Einschränkungen oder Enteignungen müssen entsprechend entschädigt werden.
  • Man unterscheidet zwischen formeller und materieller Enteignung: Bei letzterer verbleibt das Eigentum bei der ursprünglichen Besitzerin, allerdings folgt in den meisten Fällen eine Wertminderung.

Was ist eine Enteignung eigentlich?

Von einer Enteignung spricht man, wenn das Eigentum vom eigentlichen Besitzer bzw. der Eigentümerin in ein anderes Eigentum – meist das des Staates – übergeht. Eine Enteignung liegt aber auch dann vor, wenn der Grund oder eine Immobilie einer Person so verändert wird, dass sie unbrauchbar wird oder zumindest an Wert verliert. Man unterscheidet deshalb zwischen zwei verschiedenen Arten der Enteignung:

  • Formelle Enteignung: Hierbei wird das gesamte oder ein Teil des Eigentums, des Grunds oder eine Immobilie dem Eigentümer entzogen. Das Eigentum geht dann an eine andere Partei über, meist den Staat.
  • Materielle Enteignung: Bei dieser Art verbleibt das Eigentum im Besitz der ursprünglichen Eigentümerin, wird jedoch verändert (z. B. durch eine Abzonung oder eine Zurückzonung). Die Nutzung wird dadurch meist stark eingeschränkt, was oft eine Wertminderung zur Folge hat oder das Grundstück für den Besitzer sogar nutzlos macht. Ein gutes Beispiel hierfür ist, wenn ein Gebäude unter Denkmalschutz gestellt wird.

Das private Eigentum ist in der Schweiz äusserst gut geschützt. Der Artikel 26 der Bundesverfassung (BV) gehört zu den Grundrechten und besagt, dass das Eigentum einer jeden Person gewährleistet ist. Grundbesitzerinnen und Eigentümer von Immobilien müssen eine Enteignung deshalb nicht in jedem Fall einfach so hinnehmen. Es steht ihnen fast immer eine Entschädigung zu – gegen unzulässige Enteignungen können sie sich ausserdem wehren.

Warum wird eine Enteignung manchmal nötig?

Die Bevölkerung wächst, die Ansprüche steigen und der Baugrund ist begrenzt – all dies kann dazu führen, dass Enteignungen notwendig werden. So kann es sein, dass landwirtschaftlicher Grund von einer Nicht-Bauzone in Baugebiet umgewandelt werden soll. Und auch Änderungen in der Infrastruktur können eine Enteignung nötig machen.

Einige der häufigsten Gründe für Enteignungen liegen darin, dass neue Verkehrswege gebaut werden sollen. Der Bau neuer Strassen oder Zugschienen beispielsweise kann dazu führen, dass Privateigentum enteignet werden muss.

Auch die Renaturierung oder allgemein der Naturschutz kann zur Enteignung privater Grundstücke führen. So sehen einige Gesetze etwa vor, dass Bäche renaturiert werden – dort wo diese vorher in einem Kanal geflossen sind, muss jetzt stattdessen ein Bachbett ausgehoben werden.

In jedem Fall muss eine Enteignung im Interesse der Allgemeinheit erfolgen. Dabei kann es sich zum Beispiel um den Umweltschutz handeln oder auch um soziopolitische oder allgemeinwirtschaftliche Anliegen. All dies ist auch im Gesetz nicht klar formuliert; im Streitfall muss deshalb meist die jeweilige Situation betrachtet und individuell entschieden werden. Ohne wichtige und zulässige Gründe kann eine Enteignung jedoch nicht durchgeführt werden.

Rechtliche Grundlagen zur Enteignung

Die Garantie von und das Recht auf Eigentum finden sich im Grundgesetz. Diese Grundsätze sind fest in der Bundesverfassung verankert und gelten für alle Schweizer Bürgerinnen und Bürger. Bei einer Enteignung handelt es sich deshalb um die Einschränkung eines Grundrechts – aus dem Grund muss der Vorgang auch unbedingt gerechtfertigt sein. Neben der Bundesverfassung existiert auch das Bundesgesetz über die Enteignung (EntG). Darin finden sich alle Rechtsgrundlagen dazu, wie eine Enteignung ablaufen sollte und sonstige wichtige Details.

Allgemein liegt das Enteignungsrecht beim Bund. Er kann dies aber an Dritte abgeben, etwa Kantone oder Gemeinden (vgl. Artikel 2 EntG). Sowohl im Enteignungsgesetz (Artikel 1 EntG), als auch in der Bundesverfassung (Artikel 36 BV) sind Voraussetzungen für eine zulässige Enteignung festgesetzt. Demnach müssen die folgenden vier Punkte erfüllt sein:

  • Es muss eine gesetzliche Grundlage im Bundesgesetz oder Kantonsgesetz vorhanden sein: Bei geringen Einschränkungen kann alternativ eine Verordnung ausreichen. Eine Ausnahme besteht nur bei Fällen ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbaren Gefahr.
  • Es liegt ein öffentliches Interesse für die Enteignung vor oder der Schutz von Grundrechten Dritter erfordert eine Enteignung: Laut BV kann es sich dabei um die Interessen der Eidgenossenschaft oder grossen Teilen des Landes handeln. Auch andere im Interesse der Öffentlichkeit liegende Zwecke können eine Enteignung rechtfertigen (z. B. sozialpolitische, allgemeinwirtschaftliche oder der Umweltschutz).
  • Es muss eine gesetzliche Grundlage im Bundesgesetz oder Kantonsgesetz vorhanden sein: Bei geringgen Einschränkungen kann alternativ eine Verordnung ausreichen.
  • Die Enteignung ist verhältnismässig: Die Enteignung ist der einzige Weg, um das Ziel zu erreichen. Sie sollte nur in dem Mass erfolgen, wie es auch unbedingt nötig ist.

Eine Enteignung sollte immer der letzte Ausweg sein, um das gesetzte Ziel zu erreichen. Das Privateigentum ist schützenswert, weshalb damit auch sorgfältig umgegangen werden muss. Allgemein geht man in der Schweiz von einer niedrigen Zahl an Enteignungen aus – unmöglich ist das Szenario deshalb aber nicht.

Wann wird im Zuge einer Enteignung eine Entschädigung fällig?

Die in der Bundesverfassung festgelegte Eigentumsgarantie geht mit einer sogenannten Wertgarantie einher. Nach Artikel 16 EntG kann eine Enteignung nur dann geschehen, wenn der oder die Enteignete vollständig entschädigt wird. Demnach müssen die folgenden Bestandteile bei der Berechnung der Entschädigungshöhe bedacht werden:

  • der volle Verkehrswert des enteigneten Grunds
  • Wertminderung der angrenzenden Grundstücksteile, die nicht enteignet werden
  • Nachteile, die sich als eine Folge der Enteignung für die Enteigneten ergeben

Wie hoch die Beträge ausfallen, entscheidet in der Regel die zuständige Schätzungskommission. Die Entschädigung wird als Geldleistung in einer einmaligen Zahlung oder wiederkehrend beglichen. Alternativ sind auch Sachleistungen möglich – wenn die Enteigneten dem zustimmen. So kann beispielsweise ein Ersatzgrundstück angeboten werden.

Ausnahmen kann es dann geben, wenn die Wertminderung gering bis gar nicht vorhanden ist. Das kann bei einer materiellen Enteignung dann der Fall sein, wenn sich am Ist-Zustand durch den Enteignungsvorgang praktisch nichts verändert.

Bei einer Aus- oder Zurückzonung kann es zum Beispiel darauf ankommen, ob das Grundstück vorher einer Zone angehört hat. So steht Enteigneten in dem Fall in der Regel eine Entschädigung zu – in einigen Ausnahmefällen allerdings nicht. Inkorrekte Nutzungspläne, bei denen das Baugebiet nicht richtig vom Rest abgegrenzt ist, können dies etwa verhindern. Und auch veraltete Nutzungspläne von vor 1980 können Probleme mit sich bringen.

Kann man sich gegen eine Enteignung wehren?

Besonders wenn es sich um Projekte wie den Bau von Strassen handelt, wird ein Plangenehmigungsgesuch bzw. eine öffentliche Planauflage publiziert. Auf diese können die betroffenen Grundstückeigentümer und Immobilienbesitzerinnen reagieren und die sogenannte Einsprache einlegen – innerhalb einer bestimmten Frist. Der Enteigner hat aber auch jedem ersichtlichen Enteignenden vor der Publikation eine Kopie zuzustellen, in der er angibt, was genau enteignet werden soll.

In der Regel versucht die zuständige Behörde dann, eine Einigung zu erreichen. Dafür wird ein Entschädigungsbetrag angeboten. Nehmen die Betroffenen dieses Angebot an, so kann die Enteignung durchgeführt werden. Wird keine Einigung erreicht, kann es zu einem gerichtlichen Verfahren kommen. In manchen Fällen haben Enteignete auch die Chance, im Nachhinein Beschwerde einzulegen. In jedem Fall kann Ihnen ein Anwalt dabei helfen, Ansprüche geltend zu machen oder juristisch gegen eine unzulässige Enteignung vorzugehen.

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FAQ: Enteignung

Bei einer Enteignung geht das Eigentum oder die Rechte daran vom ursprünglichen Besitzer oder der Eigentümerin an den Staat, den Kanton oder auch die Gemeinde über.

 

 

Nein, manchmal ist eine Enteignung auch «nur» mit dem Wertverlust eines Grundstücks oder einer Immobilie verknüpft. Nur bei einer formellen Enteignung geht der Besitz geht an Dritte über – meist ist das der Staat, der Kanton oder die Kommune.

 

Bei einer materiellen Enteignung bleibt das Grundstück im Besitz der Enteigneten. Allerdings verändern sich dessen Eigenschaften oder die Rechte der Person – in der Folge sinkt meist der Wert des Grundstücks oder der betroffenen Immobilien.

 

 

 

Privates Eigentum ist in der Schweiz besonders geschützt und gehört die Eigentumsgarantie gehört zu den Grundrechten. Im Zuge einer Enteignung verliert eine Person ihr Grundstück oder ihre Immobilie oder muss zumindest mit einem Wertverlust leben.

 

 

 

 

 

Ja, bei einem Wertverlust für die Enteigneten wird eine Entschädigung fällig. Nur bei sehr leichten oder quasi nicht-existenten Einschränkungen kann von der Zahlung einer Entschädigung eventuell abgesehen werden.

 

 

 

 

 

Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach dem Verkehrswert des enteigneten Grunds. Auch der Enteignung folgende Nachteile müssen kompensiert werden. Die zuständige Schätzungskommission kümmert sich um die Einschätzung der Beträge.

 

 

 

Gegen eine Enteignung kann man in der Regel Einsprache einlegen. Die zuständige Stelle versucht dann, sich mit der betroffenen Person zu einigen. Eine zulässige Enteignung ist normalerweise nicht abwendbar.

 

 

Gesetzesartikel

Eigentumsgarantie (Artikel 26 BV)

Art und Höhe der Entschädigung (Artikel 17 ff. EntG)

Einsprache (Artikel 33 EntG)

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