Baumängel: So müssen Sie vorgehen

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Kalender Icon 10. Mai 2022

Beim Bau eines neuen Hauses oder der Sanierung eines bestehenden Bauwerks handelt es sich meist um teure Angelegenheiten. Genau aus diesem Grund sollten sich Bauherrinnen absichern und darauf achten, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Baumängel können die Qualität der Immobilie mindern und einen Wertverlust nach sich ziehen. Halten sich Immobilienbesitzer an einige Vorgaben, dann stehen die Chancen auf eine Entschädigung gut. Doch wie geht man dabei am besten vor?

 

Auf einen Blick

  • Ein Baumangel liegt dann vor, wenn sich der Ist-Zustand vom im Bau- oder Werkvertrag vereinbarten Soll-Zustand unterscheidet.
  • Ein Gebäude oder Teile davon werden dadurch unbrauchbar oder es fehlen einige wichtige Eigenschaften.
  • Der Besteller des Auftrags – die Bauherrin – kann Baumängel mithilfe einer Mängelrüge anzeigen und Ansprüche geltend machen.
  • Das Bauunternehmen ist dazu verpflichtet, die Mängel auszubessern. Auf Wunsch des Bestellers ist alternativ auch eine Preisminderung akzeptabel.

Was ist ein Baumangel?

Von einem Baumangel spricht man, wenn der Ist- und der Soll-Zustand eines Bauwerks zum Zeitpunkt der Abnahme nicht übereinstimmen. Ein Baumangel kann entweder am fertigen Bauwerk festgestellt werden oder wenn sich dieses noch im Bauprozess befindet. Als Anhaltspunkt für den Soll-Zustand gelten die Vereinbarungen aus dem Bauwerkvertrag.

Ein Mangel liegt dann vor, wenn Eigenschaften oder Dinge fehlen oder das Gebäude anderweitig nicht nutzbar ist. Das kann entweder für das gesamte Bauwerk gelten oder auch bei der Sanierung einzelner Bestandteile eines Hauses oder einer Wohnung der Fall sein. Ausgelöst wird dies entweder durch den Bauunternehmer selbst oder durch ein Subunternehmen. Letzteres ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Baufirma ein anderes Unternehmen damit beauftragt, das Parkett zu verlegen.

Warum sind Baumängel so problematisch?

Bauherren und Bauherrinnen sollten Baumängel nicht auf die leichte Schulter nehmen, unabhängig davon, ob es sich bei dem Bauwerk um ein Wohnhaus, ein Anlageobjekt oder eine Immobilie einer anderen Art handelt. Fakt ist: Das Bauunternehmen hat seinen Vertrag in diesem Fall nicht erfüllt.

So können Baumängel beispielsweise dazu führen, dass das Gebäude nicht genutzt werden kann – oder zumindest nicht in dem Mass, wie es vorgesehen war. Des Weiteren führen Mängel unweigerlich dazu, dass sich der Wert des Objekts mindert. Aus diesen Gründen sollten Sie beim Bau oder der Sanierung eines Bauwerks stets mit Sorgfalt vorgehen. Nehmen Sie die Begehung und die Abnahme am Ende des Bauprozesses ernst – nur so können Sie Baumängel entdecken und beanstanden, bevor es zu spät ist.

Welche rechtlichen Grundlagen gelten für Baumängel?

Im Falle von Baumängeln kommt entweder die SIA-Norm 118 oder das Obligationenrecht (OR) zur Anwendung. In Letzterem finden sich die rechtlichen Grundlagen im Elften Titel des Obligationenrechts unter der Unterüberschrift Werkvertrag. Welche der beiden Grundlagen für Ihren individuellen Vertrag gelten, können Sie dem Bauwerkvertrag entnehmen. Soll die SIA-Norm 118 zur Anwendung kommen, so muss dies explizit im Vertrag erwähnt sein. Ansonsten gilt standardmässig das OR. In den Gesetzestexten ist festgelegt, unter welchen Umständen Bauherren und Immobilienbesitzerinnen einen Baumangel anzeigen können. Auch die Fristen für die Verjährung finden sich dort.

Wann muss ein Baumangel angezeigt werden?

Entdeckt ein Bauherr oder eine Bauherrin während der Abnahme einen oder mehrere Baumängel, müssen diese sofort angezeigt werden. Gilt für den Vertrag die SIA-Norm 118, so ist dies für Mängel, die nach der Abnahme entdeckt werden, etwas flexibler – dann kann ein Immobilienbesitzer diese innerhalb der festgelegten Fristen jederzeit anzeigen. In Artikel 367, Absatz 1 OR ist festgelegt, dass Bauherrinnen nach Ablieferung des Werks dieses auf Mängel überprüfen müssen, «sobald es nach dem üblichen Geschäftsgange tunlich ist». Dabei gefundene Fehler müssen sofort angezeigt werden.

Übrigens: Bauherren können bereits während des Baus Mängel anzeigen. Dies ist besonders dann sinnvoll, wenn es sich um Bestandteile handelt, die im weiteren Verlauf des Projekts verdeckt werden, wodurch die Mängel nicht mehr erkannt werden können.

Je nachdem, welche rechtlichen Grundlagen im Einzelfall gelten, können sich die Verjährungsfristen unterscheiden. In jedem Fall sollten sich Bauherren oder Immobilienbesitzerinnen so zeitnah wie möglich mit eventuellen Baumängeln auseinandersetzen. Die Frist für Ansprüche läuft ab dem Zeitpunkt der Abnahme beziehungsweise der Übergabe des Projekts nach dessen Vollendung.

Wird die SIA-Norm 118 angewendet, so erfolgt in der Regel eine Abnahme. Nach Fertigstellung des Baus gehen beide Parteien gemeinsam vor Ort alle wichtigen Punkte durch. Werden keine Mängel festgestellt, so gilt der Bau als abgenommen und die Zusammenarbeit ist beendet. Bei unwesentlichen Mängeln bekommt das Bauunternehmen die Chance, diese innerhalb einer bestimmten Frist zu beheben. Findet der Bauherr bzw. die Bauherrin im Nachhinein Mängel, die bei der Abnahme nicht entdeckt wurden, so können auch diese angezeigt werden. In der SIA-Norm 118 gilt dafür eine Frist von zwei Jahren bei offenen Mängeln und eine Frist von fünf Jahren bei versteckten Mängeln.

Gilt stattdessen das Obligationenrecht, gibt es meist keine gemeinsame Abnahme, sondern lediglich eine Übergabe. In diesem Fall sollte der Bauherr das Bauwerk im Nachhinein selbst auf Mängel überprüfen. Nach der Übergabe des Bauwerks gestalten sich die Verjährungsfristen ähnlich: Bei beweglichen Bauten verfallen Ansprüche nach zwei Jahren, bei unbeweglichen nach fünf Jahren (Artikel 371 OR).

Sonderfall: Wenn Baumängel vom Bauunternehmen oder dessen Partnern absichtlich verschwiegen wurden, verlängert sich die Anspruchsfrist auf zehn Jahre.

Was ist eine Mängelrüge?

In einer Mängelrüge konstatiert der Besteller einen gefundenen Mangel. Wird der Mangel während der Abnahme entdeckt, sollte dieser in ein Mängelprotokoll eingetragen werden – das kann die Mängelrüge ersetzen. In jedem Fall ist für eine Rüge eine schriftliche Form empfehlenswert. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Ansprüche nicht geltend gemacht werden können. Das Dokument sollte genaue Angaben zum Bauwerk und dem Projekt enthalten und den Mangel beschreiben.

Erreicht die Mängelrüge das Bauunternehmen innerhalb der vorgegebenen Fristen, muss dieses entsprechend reagieren. Je nach Ausgangssituation gibt es verschiedene Möglichkeiten zur Lösung der Situation, unter anderem die folgenden:

  • Ausbesserung der Mängel bzw. Nachbesserung des Bauwerks
  • Minderung des Werkpreises, wenn die Bauherrin dies bevorzugt
  • Rücktritt vom Vertrag
  • Schadensersatzforderungen

Natürlich kommt es im Endeffekt immer darauf an, wie schwerwiegend die Baumängel sind. Bei besonders schweren Mängeln sieht Artikel 368 OR vor, dass die Bestellerin bzw. der Bauherr Schadensersatz fordern kann.

Benötigt man für eine Baumängelrüge einen Anwalt?

Bauherren und Immobilienbesitzerinnen sollten Baumängel nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wollen Sie nach der Fertigstellung des Baus selbst in dem Haus leben, kann dies bei bestimmten Mängeln sogar gefährlich werden. Und auch wenn die Immobilie als Investitions- oder Mietobjekt dienen soll, stellen Baumängel einen grossen Nachteil dar. Schliesslich mindern sie den Wert einer Immobilie. Mieterinnen können beispielsweise eine Mietminderung verlangen, was den Besitzer wiederum viel Geld kosten kann.

Auch wenn Sie eine Mängelrüge selbst einreichen können, lohnt es sich in den meisten Fällen, einen Anwalt zu konsultieren, denn dieser weiss, wie eine Mängelrüge formuliert werden sollte und kann die Verjährungsfristen im Blick behalten. Zudem sollten Sie überlegen, bereits bei der Begehung oder der Abnahme des Baus einen Gutachter hinzuzuziehen.

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FAQ: Baumängel

Ein Baumangel besteht dann, wenn der im Werkvertrag vereinbarte Soll-Zustand nicht erfüllt wird. Das kann der Fall sein, wenn das Bauunternehmen oder einer der Partner im Bauprozess Fehler begeht oder auch, wenn bestimmte Vorgaben nicht eingehalten werden.

 

 

Je nach Art und Schwere der Baumängel können verschiedene Nachteile für den Bauherrn entstehen. Schwerwiegende Mängel können zu Gefahren führen und auch die Wertminderung ist ein essenzieller Punkt, der nicht vernachlässigt werden sollte.

 

Wird der Baumangel rechtzeitig entdeckt, muss das beauftragte Bauunternehmen diesen beseitigen oder eine Preisminderung gewähren. Liegt die Schuld bei einem Subunternehmen, so haften in der Regel beide.

 

 

Bauherren und Immobilienbesitzerinnen sollten Baumängel möglichst sofort anzeigen. Bei der Übergabe oder der Abnahme ist dies sogar so vorgeschrieben. Nachträglich entdeckte Mängel sollten so schnell wie möglich angezeigt werden – laut einigen Gerichtsurteilen ist ein Zeitraum von sieben Tagen nach deren Entdeckung akzeptabel.

 

 

 

Ja. Die Fristen richten sich nach der geltenden Gesetzesgrundlage (SIA-Norm 118 oder OR) und liegen zwischen zwei und fünf Jahren. Wenn Baumängel vom Bauunternehmen oder dessen Partnern absichtlich verschwiegen wurden, verlängert sich die Frist auf zehn Jahre.

 

 

 

Eine Abnahme ist in der auf die meisten Bauwerkverträge angewendeten SIA-Norm 118 vorgesehen. Nach Abschluss des Bauprojekts begehen beide Vertragsparteien (Bauunternehmer und Bauherrin) gemeinsam das Bauwerk und überprüfen es. Das ist der beste Zeitpunkt, um offene Baumängel zu entdecken und auch sofort zu beanstanden.

 

 

 

Ein Anwalt kann in jedem Fall dabei helfen, eine Mängelrüge richtig abzuwickeln. Bereits während der Abnahme ist es sinnvoll, einen Gutachter hinzuzuziehen und ein Protokoll über die gefundenen Mängel zu führen.

 

Gesetzesartikel

Feststellung von Mängeln (Artikel 367 OR)

Rechte des Bestellers (Artikel 368 OR)

Verjährung auf Ansprüche bei Mängeln (Artikel 371 OR)