Bauabnahme korrekt durchführen und Mängel erkennen

Uhr Icon 7 min. Lesedauer
Kalender Icon 10. Mai 2022

Baumängel können die Freude über ein abgeschlossenes Bauprojekt verderben. Im Rahmen einer korrekten Bauabnahme können Bauherrinnen und Immobilienbesitzer jedoch viele Mängel sofort erkennen und diese beanstanden. Aus diesem Grund ist die Bauabnahme ein wichtiger Punkt nach Abschluss des Bauprozesses und sollte von jeder Bauherrin ernst genommen werden. In diesem Artikel erfahren Sie, worauf dabei zu achten ist.

Auf einen Blick

  • Nach der Fertigstellung eines Bauwerks oder der Erfüllung eines anderweitigen Werkvertrags hat immer eine Bauabnahme erfolgen, Art. 367 OR.
  • In der SIA-Norm 118, die für viele Bauwerkverträge angewendet wird, ist eine gemeinsame Überprüfung des fertiggestellten Objekts durch die Bauleitung und den Unternehmer in Art. 158 Abs. 2 vorgesehen.
  • Offene Mängel und Werkmängel müssen sofort angezeigt werden – im Idealfall werden diese bereits bei der Bauabnahme entdeckt und schriftlich festgehalten.

Warum ist eine Bauabnahme so wichtig?

Im Rahmen einer Bauabnahme können viele Baumängel erkannt und beanstandet werden. Das kann Bauherrinnen und Bestellern eines Bauprojekts viel Ärger im Nachhinein ersparen. Allgemein unterstehen Bauherren zudem einer Prüfungs- und Rügepflicht: Es liegt an ihnen, das abgelieferte Werk zu überprüfen und Mängel sofort zu beanstanden. Mängel, die im Rahmen der Bauabnahme entdeckt werden, muss der Besteller bzw. die Bauherrin sofort rügen. Diese sollten immer schriftlich festgehalten werden, zum Beispiel in Form eines Mängelprotokolls. Erfolgt dies nicht, gelten eventuelle Mängel unter Umständen als akzeptiert und können schlimmstenfalls im Nachhinein nicht mehr beanstandet werden.

Ausnahmen gibt es, wenn es sich dabei um Mängel handelt, die nicht entdeckt werden oder nicht erkannt werden können. In diesem Fall können Bauherrinnen und Immobilienbesitzer innerhalb einer bestimmten Verjährungsfrist auch im Nachhinein Mängel beanstanden.

Was sollte im Rahmen einer Bauabnahme geprüft werden?

Im Rahmen einer Bauabnahme sollten sowohl Aussen- als auch Innenanlagen geprüft werden. Dabei wird der Ist-Zustand mit dem im Vertrag festgelegten Soll-Zustand verglichen. Bauherrinnen und Besteller sollten dabei unter anderem folgende Punkte beachten:

Bei Bauwerkverträgen ist es üblich, dass die SIA-Norm 118 Anwendung findet. In einigen Fällen – wenn die SIA-Norm 118 nicht als Rechtsgrundlage festgelegt wurde – gilt das Obligationenrecht. Nach SIA-Norm 118 ist eine gemeinsame Bauabnahme vorgesehen. Dabei sind die beiden Vertragsparteien anwesend – Bauherrin und Bauunternehmer – und prüfen das Bauwerk gemeinsam. Manche Mängel sind offensichtlich, während andere von Laien nicht so einfach erkannt werden können. Es kann deshalb sinnvoll sein, eine Expertin oder einen Gutachter hinzuzuziehen.

Handelt es sich um ein ganzes Gebäude, werden oft erst die Aussenanlagen und danach die inneren Räume überprüft. Dabei werden sämtliche auffallenden Baumängel angesprochen und im Mängelprotokoll festgehalten. Das Abnahme- oder Mängelprotokoll sollte aus Beweisgründen in jedem Fall schriftlich geführt werden. Darin sind nicht nur alle entdeckten Baumängel aufgeführt, sondern auch, was dagegen unternommen werden soll. Es werden Fristen festgelegt, bis wann die Mängel behoben werden sollen bzw. wie anderweitig vorgegangen werden soll (z. B. wenn sich die Vertragsparteien stattdessen auf eine Preisminderung einigen). Am Schluss wird das Protokoll von beiden Parteien unterschrieben. Dabei ist eines von folgenden zwei Szenarien für den Ausgang typisch:

1. Kleinere Mängel werden im Protokoll festgehalten und vom Bauunternehmen anerkannt, das sich damit verpflichtet, die Mängel innerhalb einer vereinbarten Frist zu beheben. Das Projekt gilt somit als abgenommen, nach der Behebung ist keine weitere gemeinsame Begehung notwendig.

2. Werden schwerwiegende Mängel entdeckt, kann die Abnahme unterbrochen und verschoben werden. Das Bauunternehmen hat somit die Chance, die Baumängel zu beheben oder fehlende Eigenschaften zu ergänzen. In diesem Fall erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt erneut eine Abnahme.

Nach der Abnahme oder Übergabe beginnen die Garantie- und Verjährungsfristen.

Sonderfall: Etwas anders sehen die rechtlichen Grundlagen aus, wenn statt der SIA-Norm das Obligationenrecht Anwendung findet. In diesem Fall fällt mehr Verantwortung an den Bauherrn oder die Bauherrin. Nach der Fertigstellung wird das Objekt durch den Bauunternehmer übergeben. Artikel 367 OR legt fest, dass dieser die Überprüfung anschliessend selbstständig durchführen muss. Dies muss erfolgen, «sobald es nach dem üblichen Geschäftsgange tunlich ist», wie es in Artikel 367, Absatz 1 OR formuliert ist. Dabei entdeckte Mängel müssen unverzüglich angezeigt werden. Je nach Art und Schweregrad des Baumangels kann der Besteller die Zahlung verringern, die Beseitigung des Mangels verlangen oder Schadensersatz fordern. Zudem ist er bei erheblichen Mängeln nicht verpflichtet, das Bauwerk anzunehmen (vgl. Artikel 368 OR).

  • Sind Fenster und Türen richtig verbaut und funktionieren sie ordnungsgemäss?
  • Sind Wände und Decken wie vereinbart und unbeschädigt (richtige Wandfarbe, Risse)?
  • Funktioniert die Elektronik, lassen sich die Lichter anschalten?
  • Wurden Gerätschaften und andere Gegenstände richtig eingebaut, zum Beispiel eine Küche?
  • Sind Böden und Fliesen richtig verlegt?

Allgemein wird bei der Bauabnahme festgestellt, ob das Bauwerk den Vereinbarungen entspricht und nutzbar ist. Eventuell auftretende Baumängel lassen sich in folgende Arten einteilen:

  • Werkmängel: Davon spricht man, wenn eine Eigenschaft am Bauwerk fehlt, die laut Vertrag jedoch vorhanden sein sollte oder das dem Bauwerk eine Eigenschaft fehlt, die der Bauherr auch ohne besondere Vereinbarung hätte erwarten dürfen. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn eine Mauer nicht errichtet wurde.
  • Offene Mängel: Diese Art von Baumängeln ist in der Regel leicht zu entdecken, da sie bei der Bauabnahme sofort auffallen. Ein Beispiel: Eine Wand ist in der falschen Farbe gestrichen.
  • Verdeckte oder versteckte Mängel: Diese Mängel werden oft auch als geheime Mängel bezeichnet, da sie nicht auf den ersten Blick, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt auffallen. Das könnte etwa der Fall sein, wenn das Dach undicht ist – dies würde erst dann auffallen, wenn es regnet.

Was geschieht, wenn keine Bauabnahme erfolgt?

Wenn der Bauherr das Objekt nach der Ablieferung nicht überprüft, gilt dies laut Artikel 370 OR als stillschweigende Annahme. Mängel können dann im Nachhinein nicht mehr angezeigt werden. Eine Ausnahme besteht nur bei verdeckten Mängeln oder wenn der Unternehmer mit Absicht etwas verschweigt. Auch auf Grundlage der SIA-Norm 118 ist eine stillschweigende Annahme möglich. Demnach muss eine Abnahme oder Überprüfung innerhalb von 30 Tagen stattfinden.

Wer sollte bei einer Bauabnahme dabei sein?

Laut SIA-Norm müssen Bauherr bzw. Bauleitung und Bauunternehmerin das Objekt gemeinsam begehen. Im OR ist dazu nichts festgelegt. In jedem Fall ist es sinnvoll, wenn Sie als Bauherrin einen Experten hinzuziehen, der die nötige Erfahrung hat und Baumängel sofort erkennen kann.

So geht Rechtsberatung heute – einfach, sicher, transparent

Sie finden hier kostenlos ohne aufwendige Recherche die richtige Anwältin oder den richtigen Anwalt.

  1. Anfrage platzieren
  2. Offerten vergleichen
  3. Zusammenarbeit starten
  4. Kosten überwachen
Anfrage starten Download Icon

FAQ: Bauabnahme

Ja, jede Bauherrin und jeder Immobilienbesitzer sollte eine Bauabnahme durchführen, nachdem das Projekt fertiggestellt wurde. So können Baumängel erkannt und sofort beanstandet werden. Im Nachhinein ist dies nur noch eingeschränkt möglich, auch wenn die Mängel zum Zeitpunkt der Übergabe bereits bestanden haben.

Gilt für den Werkvertrag die SIA-Norm 118, dann ist eine gemeinsame Abnahme vorgeschrieben. Gilt dagegen das OR, ist der Bauherr oder die Bauherrin selbst für die Überprüfung zuständig. In beiden Fällen sollte dies möglichst schnell nach der Ablieferung des Projekts geschehen.

Bauherrinnen sollten im Rahmen einer Bauabnahme überprüfen, ob alle mit dem Bauunternehmer vertraglich vereinbarten Bestandteile und Konstruktionen vorhanden sind und die er auch ohne Vereinbarung hätte erwarten dürfen. Das äussere Aussehen des Objekts sollte einwandfrei sein, aber auch Funktionen wie das elektronische System oder die Heizungsanlage müssen ordnungsgemäss funktionieren, wenn dies Teil des Vertrags war.

 

Die bei der Bauabnahme entdeckten Mängel sollten im Abnahme- oder Mängelprotokoll schriftlich festgehalten werden. Damit erkennen beide Parteien die betreffenden Mängel an und das Bauunternehmen verpflichtet sich somit dazu, entsprechend auf diese zu reagieren. Bei kleineren Mängeln einigt man sich meist darauf, dass diese innerhalb einer bestimmten Frist zu beheben sind. Bestehen erhebliche Mängel, kann die Abnahme verschoben werden.

 

Sowohl im OR als auch in der SIA-Norm 118 ist festgelegt, dass in diesem Fall eine stillschweigende Abnahme erfolgt. Die SIA-Norm 118 sieht eine Abnahme innerhalb von spätestens 30 Tagen vor. Das OR nennt keine spezifische Frist, sondern verwendet die Formulierung «sobald es nach dem üblichen Geschäftsgange tunlich ist». Bleibt die Überprüfung aus, geht man in beiden Fällen von einer stillschweigenden Annahme aus.

 

Fehlt dem Bauwerk eine im Vertrag vereinbarte Eigenschaft, so spricht man von einem Werkmangel. Von einem offenen Mangel spricht man, wenn dieser klar und deutlich erkennbar ist, zum Beispiel ein Riss in der Fassade. Verdeckte Mängel dagegen können nicht sofort erkannt werden und fallen oft erst zu einem späteren Zeitpunkt auf. Versteckte Mängel, sind solche, die der Unternehmerin oder dem Unternehmer unterlaufen sind, er diese aber vor dem Bauherren nicht preisgeben will und er sie deshalb versteckt hat. Auch solche fallen in der Regel nicht sofort auf. Meist erst nach längerer Zeit.

 

Diese können innerhalb der gültigen Verjährungsfrist beanstandet werden. Wurde ein Mangel bei der Überprüfung erkannt, allerdings nicht im Abnahmeprotokoll angegeben, so gilt er als stillschweigend akzeptiert und kann später nicht mehr beanstandet werden.

Bundesrecht

Gesetzesartikel

Feststellung von Mängeln (Artikel 367 OR)

Rechte des Bestellers bei Mängeln (Artikel 368 OR)

Verjährung auf Ansprüche bei Mängeln (Artikel 371 OR)

Diese Artikel könnten Sie ebenfalls interessieren