Erbverzicht: In diesen Situationen ist der negative Erbvertrag sinnvoll
Beim Erben gibt es einiges zu beachten. Es kann vorkommen, dass eine Erbin gar nicht erben will. Neben dem Erbverzicht können Erben dem Erblasser bereits zu Lebzeiten den Verzicht auf das künftige Erbe erklären - nämlich mit einem Erbverzichtsvertrag. In diesem Artikel erfahren Sie, in welchen Situationen Erbinnen häufig freiwillig auf eine Erbschaft verzichten und was Sie bei einem Erbverzicht beachten sollten.
Was versteht man unter einem Erbverzicht?
Bei einem Erbverzicht erklärt ein zukünftiger Erbe offiziell, dass er auf sein Erbe verzichtet. Dies ist bereits zu Lebzeiten der Erblasserin möglich und bedarf deren Zustimmung. Der Erbverzicht wird formell durch einen negativen Erbvertrag erklärt. Es besteht die Möglichkeit eines vollständigen oder teilweisen Erbverzichts. Die beiden Parteien entscheiden, ob nur auf die freie Quote oder auf die gesamte Erbschaft verzichtet wird. Im letzteren Fall verliert der Erbe auch den Anspruch auf einen eventuellen Pflichtteil, der ihm als gesetzlicher Erbe zustehen würde. Sofern im Erbverzichtsvertrag nichts anderes bestimmt ist, verlieren auch die Nachkommen des Erben ihr Erbrecht.
Ein Erbverzicht ist auch nach dem Tod und dem Eintritt des Erbfalls möglich. In diesem Fall spricht man jedoch von einer sogenannten Erbverzichtserklärung. Diese ist im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB) in den Artikeln 566 ff. geregelt.
Was regelt der Erbverzicht?
Der Erbverzicht kann unterschiedlich ausgestaltet werden. Dabei werden sowohl die Wünsche des Erblassers als auch diejenigen der Erbin berücksichtigt. Damit ein Vertrag zustande kommt, müssen sich beide Parteien einig sein. Unter anderem sollten folgende Punkte geklärt werden:
- Treten die Nachkommen des Verzichtenden ihre Ansprüche ebenfalls ab?
- Soll anstelle des Verzichtenden eine andere Person begünstigt und als Erbe eingesetzt werden?
- Verzichtet der Erbe ganz oder nur auf bestimmte Gegenstände / Vermögenstaneile?
- Wie der positive Erbvertrag kann auch der negative Erbvertrag an Bedingungen geknüpft werden (Artikel 482 ZGB).
Unterschied zum Erbauskauf
Ein Erbverzicht erfolgt grundsätzlich ohne Gegenleistung. Der Erbauskauf hingegen ist mit der Zahlung einer Abfindung verbunden. Diese erhält der ausschlagende Erbe in der Regel vom Erblasser. Formell gelten für den Erbauskauf die gleichen Anforderungen wie für den Erbverzichtsvertrag: Er muss schriftlich und mit Zustimmung beider Parteien erfolgen. Die Höhe der Abfindung sollte genau festgelegt werden, ebenso der Zeitpunkt, bis zu dem die Abfindung zu zahlen ist.
Rechtliche Grundlagen des Erbverzichts
Der Erbverzicht ist im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB) geregelt. Die Möglichkeit des Erbverzichts und des Erbschaftskaufs wird in Artikel 495 ZGB behandelt. Wird im Erbverzichtsvertrag nichts anderes bestimmt, so sind auch die Nachkommen vom Erbverzicht betroffen (Artikel 495 Absatz 3 ZGB).
Artikel 497 ZGB behandelt den Fall, dass der Nachlass verschuldet ist. In diesem Fall können unter Umständen auch die Erbverzichtenden von den Gläubigern zur Begleichung der Schulden herangezogen werden. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn der Erbverzichtende in den letzten fünf Jahren vor dem Tod des Erblassers eine Zuwendung von diesem erhalten hat und diese im Zeitpunkt des Erbfalls noch vorhanden ist.
Da der Erbverzicht durch einen negativen Erbvertrag geregelt wird, gelten für diesen auch die Formvorschriften und alle übrigen Anforderungen an Erbverträge (Artikel 468 ZGB; Artikel 481 f. ZGB; Artikel 494 ZGB). Zu beachten sind auch die allgemeinen vertragsrechtlichen Bestimmungen des Obligationenrechts (OR).
Typische Situationen für einen Erbverzicht
Der Sinn eines Erbverzichts mag auf den ersten Blick fragwürdig erscheinen - vor allem angesichts der Möglichkeit, ein Erbe im Erbfall auszuschlagen. Es gibt jedoch einige Situationen, in denen ein Erbverzicht sinnvoll und hilfreich sein kann:
- Streitigkeiten zwischen den Beteiligten: Wenn Erblasser und Erbin nichts mehr miteinander zu tun haben wollen, kann ein Erbverzicht Klarheit schaffen. So kann der Kontakt abgebrochen werden, ohne dass es später zu Erbstreitigkeiten kommt.
- Freiwilliger Erbverzicht: Dies ist vor allem dann der Fall, wenn ein Familienmitglied selbst vermögend ist und das gesamte Erbe den anderen Erben überlassen möchte. Diese Situation kommt beispielsweise vor, wenn zwischen Geschwistern ein gutes Verhältnis besteht. Auch wenn einer der Erben bereits alt oder sehr krank ist, kann diese Regelung zur Anwendung kommen.
- Patchworkfamilien: Wenn die Partner wieder geheiratet haben oder eine Lebenspartnerschaft eingegangen sind, können durch einen Erbverzicht Streitigkeiten zwischen den Kindern vermieden werden. Mit Hilfe eines Erbverzichtsvertrages durch den neuen Ehepartner kann eine klare Trennung des Vermögens und damit eine gerechte Behandlung der Nachkommen erleichtert werden.
- Unverheiratete Paare: Sogenannte Konkubinatspaare haben von Gesetzes wegen keinen gegenseitigen Erbanspruch. Auch wenn dies im Testament so geregelt ist, haben die gesetzlichen Erben immer einen Pflichtteil. Will eine Konkubinatspartnerin ihre Partnerin finanziell absichern, kann es sinnvoll sein, dass deren Nachkommen und Eltern auf das Erbe verzichten.
- Nach einer Schenkung oder einem Erbvorbezug: Wenn ein Erblasser einem seiner Nachkommen einen Erbvorbezug gewährt, können die übrigen Erbinnen gleich behandelt werden. Um Streitigkeiten zu vermeiden, sollte dies unbedingt mit allen Erben geklärt werden.
Wozu dient ein Erbverzicht?
Ein Erbverzicht dient in vielen Fällen vor allem dazu, den Pflichtteil auszuschalten, der den gesetzlichen Erben ausbezahlt werden muss (Artikel 471 ZGB). Während die gesetzliche Erbfolge (Artikel 457 ff. ZGB) z.B. durch ein Testament von der Erblasserin selbst geändert werden kann, bedarf es für eine Änderung der Pflichtteile der Zustimmung beider Parteien. Dies ist bei einem Erbverzicht genau möglich. Ansonsten können Pflichtteile nur in schwerwiegenden Fällen durch Enterbung entzogen werden.
Der typische Grund, warum ein Erblasser von einem gesetzlichen Erben einen Erbverzicht verlangt, ist die finanzielle Absicherung einer anderen Person. Viele Erblasser wollen beispielsweise ihren Lebenspartner absichern. In diesem Fall wird im Verzichtsvertrag festgelegt, dass die Nachkommen erst nach dem Tod beider Elternteile erben. Andernfalls würde ihnen ein Pflichtteil zustehen und das Erbe müsste zwischen den Nachkommen und dem überlebenden Ehegatten geteilt werden.
Was ist zu beachten, damit der Erbverzicht rechtsgültig ist?
Ein Erbverzicht wird durch eine Erklärung oder einen Vertrag festgehalten. Wichtig ist, dass beide Parteien, also sowohl der Erblasser als auch die Erbin, damit einverstanden sind. Es handelt sich um einen Erbvertrag, allerdings im negativen Sinne. Deshalb sind bestimmte Formvorschriften zwingend einzuhalten.
Ein Erbvertrag bedarf der Form einer öffentlichen letztwilligen Verfügung (Artikel 512 ZGB). Beim Vertragsabschluss müssen zwei Zeugen und eine Urkundsperson (Urkundsperson oder Notar) anwesend sein. Beide Vertragsparteien - die Erblasserin und die verzichtende Erbin - müssen ihren Willen erklären und anschliessend den Vertrag unterzeichnen. Dies muss gleichzeitig und nicht zeitversetzt geschehen. Beide Vertragsparteien müssen zudem handlungsfähig sein. Dazu gehören die Urteilsfähigkeit und die Mündigkeit (Artikel 11 ff. ZGB). Minderjährige bedürfen zum Abschluss eines solchen Rechtsgeschäfts der Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters (Artikel 19 ZGB).
Die Nichteinhaltung dieser Vorschriften kann zur Ungültigkeit des Erbvertrags führen (Artikel 11 Absatz 2 OR). Zudem kann der Vertrag von anderen Personen angefochten werden, z.B. wenn es zu einem Erbstreit kommt.
Erbverzicht widerrufen - geht das?
Ein Erbverzicht kann durchaus widerrufen werden. Dies ist jedoch nur zu Lebzeiten des Erblassers möglich. Ein Erbverzichtsvertrag kann also nachträglich aufgehoben oder abgeändert werden, wenn beide Parteien einverstanden sind (Artikel 513 ZGB). Dabei ist die gleiche Form einzuhalten wie beim Abschluss des Vertrages (Artikel 12 OR). Dies bedeutet, dass die Aufhebung schriftlich und in Anwesenheit von zwei Zeugen, einer Notarin oder einem Notar sowie beider Vertragsparteien erfolgen muss.
Erbverzicht und Ausgleichung
Die Verzichtenden sind grundsätzlich nicht zu einer Ausgleichung verpflichtet. Mit dem Erbverzicht wird davon ausgegangen, dass sie in keiner Weise Erbin ist und keine Ansprüche hat. Gleichzeitig bedeutet dies, dass die Verzichtenden auch nicht für allfällige Schulden aus der Erbschaft aufkommen müssen.
Ausnahmen können sich ergeben, wenn der Erblasser den Erbverzichtenden zu Lebzeiten Zuwendungen gemacht hat. Übersteigen diese Zuwendungen den verfügbaren Teil der Erbschaft, so können die übrigen Erben eine Herabsetzungsklage erheben (Artikel 535 ZGB). Diese bezieht sich jedoch nur auf die Differenz zwischen den Zuwendungen und dem Pflichtteil des Verzichtenden.
Wird die Klage zu Lasten des Verzichtenden gutgeheissen und muss er die Leistungen zurückerstatten, hat er zwei Möglichkeiten. Er kann entweder die Rückzahlung an die anderen Erbinnen leisten oder die gesamte Leistung in den Topf zurückzahlen. Im letzteren Fall nimmt die Person normal an der Erbschaft teil, als ob der Erbverzicht nie stattgefunden hätte (Artikel 536 ZGB). Es ist jedoch ratsam, sich mit einem auf Erbrecht spezialisierten Anwalt in Verbindung zu setzen.
Was Sie beim Erbverzicht noch beachten sollten
Der Erbverzicht ist eine gute Möglichkeit, um Erbstreitigkeiten im Erbfall zu vermeiden. Dabei ist es wichtig, dass der negative Erbvertrag klar formuliert ist und alle wichtigen Fragen beantwortet. Denn es kann vorkommen, dass der Verzichtende sich entschliesst, den Erbverzicht gerichtlich rückgängig zu machen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn das Vermögen nach Abschluss des Vertrages zunimmt oder grösser ist als vorher angenommen. Deshalb sollte im Erbverzichtsvertrag festgehalten werden, dass der Erbverzicht in jedem Fall gültig ist, unabhängig davon, wie hoch die Erbschaft letztlich ausfällt.
Entscheiden Sie im Voraus, ob ein Erbverzicht notwendig ist. Handelt es sich nur um den Verzicht eines gesetzlichen Erben, genügt oft ein Testament.
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FAQ: Erbverzicht
Im Rahmen eines Erbverzichts tritt ein Erbe freiwillig seine Ansprüche an eine zukünftige Erbschaft ab. Dies erfolgt noch während die Erblasserin am Leben ist und bedarf der Zustimmung beider Parteien. Grundsätzlich ist ein Erbverzicht unentgeltlich.
Ein Erbverzicht erfolgt in der Regel unentgeltlich, während für einen Erbauskauf eine Abfindungszahlung vereinbart wird. Beide erfolgen zu Lebzeiten des Erblassers und bedürfen der Zustimmung beider Parteien. Eine Erbausschlagung dagegen ist eine einseitige Erklärung, die erst nach dem Tod einer Erblasserin abgegeben werden kann.
Ein Verzichtsvertrag kann individuell gestaltet werden. Verzichtende können vollkommen auf die Erbschaft verzichten oder lediglich auf einen Teil des Erbes. Verzichtet die Person lediglich auf ihren Pflichtteil, so erhöht dies die Gestaltungsfreiheit des Erblassenden.
Bei einem Erbverzicht handelt es sich um einen negativen Erbvertrag. Dieser muss schriftlich verfasst und in Anwesenheit zweier Zeugen und einer Notarin unterschrieben werden. Ein Erbverzicht erfordert immer die Zustimmung beider Parteien.
Unter Zustimmung beider Parteien kann ein Verzichtsvertrag rückgängig gemacht werden. Dies ist nur zu Lebzeiten des Erblassers möglich. Die Veränderung oder Aufhebung des negativen Erbvertrags erfolgt auf dem gleichen Weg wie sein Abschluss (schriftlich unter Zustimmung beider Parteien und in Anwesenheit von zwei Zeuginnen und einem Notar).
Ein gültiger Erbverzichtsvertrag kann lediglich zwischen zwei Parteien geschlossen werden, die handlungs- und urteilsfähig sind. Personen unter 18 Jahren benötigen die Zustimmung einer gesetzlichen Vertretung.
Mit einem Erbverzichtsvertrag können Pflichtteile umgangen werden. Erblassende nutzen dies dazu, um die hinterbleibende Ehepartnerin im Falle ihres Todes finanziell zu unterstützen. Kinder verzichten damit auf ihr Erbe, um dem überlebenden Elternteil finanzielle Sicherheit zu ermöglichen.