Gratifikation: Gesetzliche Regelung in der Schweiz

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Kalender Icon 05. März 2022

Unter einer Gratifikation wird eine freiwillige Sondervergütung verstanden, die ein Unternehmen dem Arbeitnehmer bzw. der Arbeitnehmerin als eine Art Belohnung bezahlt. Häufig wird diese zu bestimmten Anlässen oder bei der Erreichung bestimmter Ziele geleistet. Es liegt jedoch im Ermessen des Unternehmens, ob eine Gratifikation bezahlt wird und wie hoch diese ausfällt. Erfahren Sie im Folgenden alle Details und rechtlichen Grundlagen zur Gratifikation in der Schweiz.

Auf einen Blick

  • Bei einer Gratifikation handelt es sich um eine Sondervergütung, die zusätzlich zum Lohn an die Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen gezahlt werden kann.
  • Es besteht in der Schweiz kein genereller rechtlicher Anspruch auf eine Gratifikation. Es liegt also im Ermessen des Unternehmens, ob und in welcher Höhe eine solche an die Mitarbeitenden ausgezahlt wird.

 

Was genau wird unter einer Gratifikation verstanden?

Eine Gratifikation gemäss Artikel 322d Obligationenrecht (OR) ist eine Sondervergütung, die – zusätzlich zum Lohn – häufig zu bestimmten Anlässen wie an Weihnachten oder am Ende des Geschäftsjahres geleistet wird. Ein weiterer Anlass für die Zahlung einer Gratifikation ist, wenn ein bestimmtes Dienstalter bzw. eine bestimmte Anzahl an Dienstjahren oder auch ein vereinbartes Leistungsziel bzw. ein Unternehmensziel erreicht wird. Der Zweck einer Gratifikation liegt meist darin, die Arbeitnehmerinnen für vergangene Leistungen zu belohnen bzw. einen Anreiz für künftige Leistungen zu schaffen. Da generell keine Pflicht besteht, eine Gratifikation zu zahlen, liegt es im Ermessen des Unternehmens, ob sie gewährt wird. Auch die Höhe der Gratifikation kann vom Unternehmen bestimmt werden.

Was ist der Unterschied zwischen einer Gratifikation und dem 13. Monatslohn?

Während es sich bei der Gratifikation um eine freiwillige Sondervergütung eines Unternehmens handelt, ist der 13. Monatslohn – sofern dessen Zahlung vertraglich vereinbart wird – fester Bestandteil des Lohns und damit bedingungslos auszuzahlen. Die Gratifikation wird unabhängig vom Lohn entrichtet und kann demnach auch an Bedingungen geknüpft werden.

Was ist der Unterschied zwischen einer Gratifikation und einem variablen Lohn?

Bei dieser Frage verhält es sich ähnlich wie beim Unterschied zwischen der Gratifikation und dem 13. Monatslohn. Das Unternehmen ist dazu verpflichtet, der Arbeitnehmerin den vereinbarten Lohn bedingungslos auszuzahlen. Das gilt auch bei einem variablen Lohn. Dieser kann also nicht an Bedingungen – etwa die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers oder den Unternehmenserfolg – geknüpft werden und ist auch bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Unternehmen anteilsmässig zu entrichten.

Die Gratifikation dagegen kann mit Auszahlungsvorbehalten einhergehen und das Unternehmen kann die Voraussetzungen für den Erhalt der Gratifikation vertraglich regeln. Häufig wird beispielsweise festgelegt, dass der Arbeitnehmende die Gratifikation nur erhält, wenn er zum Zeitpunkt der Fälligkeit in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht.

Welche Arten der Gratifikation gibt es?

Je nach konkreten Eigenschaften wird zwischen verschiedenen Arten der Gratifikation unterschieden, auf die im Folgenden genauer eingegangen wird.

Freiwillige Gratifikation

Bei der freiwilligen Gratifikation wird weiter zwischen der echten und der unechten Gratifikation unterschieden. Bei der echten Gratifikation handelt es sich um eine Sondervergütung, auf die keinerlei Rechtsanspruch besteht. Von einer unechten Gratifikation dagegen ist die Rede, wenn ein Rechtsanspruch auf deren Erhalt besteht.

Vereinbarte Gratifikation

Bei einer vereinbarten Gratifikation kann es sich einerseits um eine einmalige Sonderprämie handeln, die geleistet wird, sobald ein bestimmtes Ereignis eintritt. Diese wird häufig als Zeichen der Wertschätzung oder als spontane Anerkennung an die Arbeitnehmerin ausgezahlt.

Andererseits kann es sich bei der vereinbarten Gratifikation auch um eine regelmässige Zahlung handeln, die an bestimmte Bedingungen geknüpft ist. Beispiele für solche Bedingungen sind unter anderem die Leistung des Arbeitnehmers oder der Unternehmenserfolg. In diesem Fall wird umgangssprachlich häufig auch von einem Bonus gesprochen. Da die Bedingungen für diese Art der Gratifikation – sofern sich ein Unternehmen dazu entscheidet, sie zu leisten – vereinbart sind, ist das Unternehmen gemäss Artikel 322d, Absatz 1 OR dazu verpflichtet, die Gratifikation bei Eintritt der Bedingungen zu leisten.

Wann besteht ein Anspruch auf Gratifikation?

Wie erwähnt handelt es sich bei der Gratifikation um eine freiwillige Sonderleistung. Ein Anspruch darauf besteht gemäss Artikel 322d Absatz 1 OR nur, wenn dies vertraglich vereinbart wurde. Ist dies der Fall, ist sie laut Artikel 322d Absatz 2 OR bei vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses auch anteilsmässig zu entrichten.

Jedoch sollte in diesem Zusammenhang auch erwähnt werden, dass eine Vertragsänderung in einigen Fällen auch stillschweigend zustande kommen kann. Ist etwa die Gratifikation nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages, wird aber über mehrere Jahre hinweg regelmässig und vorbehaltlos gezahlt, so kann unter Umständen der Fall eintreten, dass das Unternehmen eine stillschweigende Vertragsänderung zugunsten der Arbeitnehmerinnen vorgenommen hat. In diesem Fall wäre es auch weiterhin dazu verpflichtet, die Gratifikation zu entrichten.

Solange die Gratifikation jedoch klar als freiwillige Sondervergütung ausgewiesen wird, haben Arbeitnehmer keinen rechtlichen Anspruch auf sie. Deshalb wird die Freiwilligkeit der Zahlung häufig auch im Vertrag sowie bei der Lohnabrechnung klar angegeben.

An welche Bedingungen kann eine Gratifikation geknüpft sein?

Generell liegt es im Ermessen des Unternehmens, die Gratifikation an bestimmte Bedingungen zu knüpfen. In diesem Fall spricht man von einer bedingten bzw. vereinbarten Gratifikation. Jedoch müssen die Bedingungen klar begründet werden und dürfen nicht willkürlich oder diskriminierend sein. Sie müssen also so ausgestaltet werden, dass eine Einzelperson gegenüber den restlichen Mitarbeitenden nicht schlechter gestellt wird.

Häufig wird beispielsweise vereinbart, dass eine Gratifikation nur geleistet wird, wenn sich der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befindet. In diesem Fall würde die Gratifikation also nicht bezahlt werden, wenn sich die Arbeitnehmerin zwar noch im Unternehmen befindet, aber bereits eine Kündigung erfolgte und sie nur noch für die Dauer der Kündigungsfrist dort arbeitet. Weitere übliche Bedingungen sind etwa die Betriebstreue, der Erfolg des Unternehmens oder auch die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Letzteres wird häufig durch eine Zielvereinbarung festgelegt. Dabei handelt es sich um ein Instrument der Personalführung, das dazu dient, persönliche Leistungsziele für einzelne Mitarbeitende zu definieren.

Wie hoch ist eine Gratifikation?

Wird vertraglich eine bestimmte Höhe für die Gratifikation vereinbart, so ist das Unternehmen dazu verpflichtet, den festgelegten Betrag zu leisten. Handelt es sich dagegen um eine echte Gratifikation, die also weder vertraglich noch auf sonstige Weise vereinbart ist, liegt es im Ermessen des Arbeitgebers, ob und in welcher Höhe sie geleistet wird.

Jedoch ist zu beachten, dass auch in Bezug auf die Gratifikation der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt. Das bedeutet, dass eine Kürzung oder der vollständige Wegfall einer Gratifikation für bestimmte Arbeitnehmerinnen sachlich begründet werden muss. Beispiele für solche Gründe wären etwa eine lang andauernde Arbeitsunfähigkeit (Krankheit), eine mangelnde Arbeitsleistung oder eine Verletzung der Treuepflicht. Allerdings bedeutet dies nicht, dass verschiedene Mitarbeitende nicht auch unterschiedliche Gratifikationen erhalten können. Da in der Schweiz gemäss Artikel 19 OR Vertragsfreiheit herrscht, können die jeweiligen Einzelarbeitsverträge unterschiedlich ausgestaltet werden – natürlich innerhalb des gesetzlichen Rahmens. Deshalb können auch unterschiedliche Bedingungen und Höhen für die Gratifikation einzelner Mitarbeitender vereinbart werden.

Sonderfall: Auf Ansuchen des Arbeitnehmers kann in Sonderfällen die Höhe der Gratifikation auch von einem Gericht festgelegt werden. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Gratifikation vertraglich geregelt ist, das Unternehmen sich aber weigert, sie auszuzahlen, oder wenn deren Höhe vom Unternehmen willkürlich festgelegt wurde. Ein Anwalt für Arbeitsrecht kann Sie in einem Gespräch eingehend beraten und Sie auf Wunsch auch im weiteren Prozess unterstützen.

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FAQ: Gratifikation

Unter einer Gratifikation wird eine Sondervergütung verstanden, die – neben dem Lohn – häufig zu bestimmten Anlässen wie an Weihnachten oder am Ende des Geschäftsjahres geleistet wird. Im Gegensatz zum variablen Lohn und zum 13. Monatslohn gilt sie nicht als Bestandteil des Arbeitslohns. Der Zweck einer Gratifikation liegt meist darin, die Arbeitnehmerinnen für vergangene Leistungen zu belohnen bzw. einen Anreiz für künftige Leistungen zu schaffen.

 

 

Nein, in der Schweiz besteht kein allgemeiner rechtlicher Anspruch auf eine Gratifikation. Es liegt im Ermessen des Unternehmens, ob und in welcher Höhe diese geleistet wird. Sie kann jedoch im Arbeitsvertrag vereinbart werden. Ist dies der Fall, haben Arbeitnehmer Anspruch auf die Gratifikation, sofern alle vertraglich vereinbarten Bedingungen erfüllt werden.

 

Bei einer vereinbarten oder bedingten Gratifikation kann es sich einerseits um eine einmalige Sonderprämie bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses, andererseits um eine regelmässige, an bestimmte Bedingungen geknüpfte Zahlung handeln. Da die jeweiligen Bedingungen in diesem Fall vertraglich festgelegt sind, ist das Unternehmen dazu verpflichtet, die Gratifikation zu leisten.

Umgangssprachlich ist bei der Gratifikation auch häufig von einem Bonus die Rede. Dabei ist jedoch zu beachten, dass es sich beim Bonus um einen Begriff handelt, der im Obligationenrecht nicht vorkommt. Es handelt sich also um keinen rechtlich definierten Begriff.

 

Prinzipiell kann die Gratifikation an eine Vielzahl von Bedingungen geknüpft werden, da dies im Ermessen des Unternehmens liegt bzw. vertraglich frei vereinbart werden kann. Die Bedingungen dürfen jedoch weder willkürlich noch diskriminierend sein. Häufige Beispiele für Bedingungen sind etwa ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis, Betriebstreue, der Erfolg des Unternehmens oder auch die jeweilige Arbeitsleistung. Zudem wird eine Gratifikation oft auch zu bestimmten Anlässen wie etwa zu Weihnachten oder am Ende des Geschäftsjahres entrichtet.

 

Da es sich bei der Gratifikation generell um eine freiwillige Sonderleistung handelt, besteht nur dann ein Anspruch, wenn sie vertraglich vereinbart wurde. Im Sonderfall kann jedoch ein Anspruch auf die Gratifikation entstehen, wenn eine stillschweigende Vertragsänderung zugunsten der Arbeitnehmerinnen vorgenommen wurde, indem sie über mehrere Jahre hinweg regelmässig und vorbehaltlos gezahlt wurde.

 

Die Höhe der Gratifikation liegt generell im Ermessen des Unternehmens. Jedoch muss deren Höhe begründet werden und darf nicht dem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechen. Die Kürzung oder der vollständige Wegfall einer Gratifikation für bestimmte Arbeitnehmerinnen muss demnach sachlich begründet werden. Im Sonderfall kann die Höhe der Gratifikation auch von einem Gericht festgelegt werden.

Gesetzesartikel

Gratifikation (Artikel 322d OR)

Einzelarbeitsvertrag (Artikel 319 OR)

Inhalt des Arbeitsvertrags (Artikel 19 OR)

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